Gute Unterhaltung! Mit Musik geht alles leichter.

Zugegeben, manchmal bin ich ein bisschen gemein: Am Ende meiner Blogposts stelle ich gern eine Frage oder einfach nur einen Gedanken schick in den Raum und lasse euch dann damit allein. Zu meinem Artikel über das italienische Songfestival Sanremo schulde ich ein Follow-up. Die Antwort auf meine dort gestellte Frage kam prompt, das tatsächliche Geschehen schreit förmlich danach, erzählt zu werden.

Jetzt werdet ihr denken, es dreht sich hier um den überraschenden Gewinner, die Rockband Måneskin. Im krassen Kontrast zum Titel ihres Songs „Zitti e buoni“ (Still und brav), schreien sie geradezu das Aufbegehren und den Lebenshunger der jungen, klassischerweise nicht mit Sanremo in Verbindung zu bringenden Generation, heraus. Sie deklarieren im Refrain:

Siamo fuori di testa, ma diversi da loro. Wir haben den Verstand verloren, aber wir sind anders als sie.

Måneskin – ZITTI E BUONI (Official Video – Sanremo 2021)

Nein, das Geschehen, von dem ich berichten will, schreit nicht, sondern schmachtet, summt und pfeift. Es ist ausgerechnet wieder der viertplatzierte Song, der origineller Weise die von mir gewünschte Antwort auf den im ersten Lockdown 2020 meistgespielten Titel zu geben scheint. Auf die Frage „La gioia dov’è? ‒ Wo ist die Freude geblieben?“ der Band Le Vibrazioni servieren jetzt die Sizilianer Colapesce und Dimartino ihren weltrettenden Vorschlag: „Musica Leggerissima“, leichte Unterhaltungsmusik.

Metti un po‘ di musica leggera, perché ho voglia di niente …
Leg ein bisschen leichte Unterhaltungsmusik auf, ich habe gerade zu nichts Lust …

Zweimal erst fuhr ich nach dem Festival für fünf Minuten Auto (die Lombardei rutschte gerade wieder von einem „verstärkten Dunkelorange“ in die Rote Zone des absoluten Shutdowns), und ratet mal, was dabei im Radio lief. Aber es ist kein Zufall, denn auch die offiziellen Zahlen bestätigen, dass es „Musica Leggerissima“ bereits in der Woche vom 5. bis 11. März auf Platz Eins der meistgespielten Songs bei den italienischen Radiostationen gebracht hat.

Ich will ehrlich sein: Als wir den Titel das erste Mal auf der Showbühne von Sanremo sahen, griffen wir uns buchstäblich an den Kopf. Wer waren diese zwei altmodisch gekleideten Typen, um bei den „Big“, den Großen, anzutreten? Wir kannten sie nicht. (Müssen aber auch zugeben, dass wir keine professionellen Beobachter der aktuellen italienischen Musikszene sind, sondern unsere Kenntnisse aus dem Spektrum der von uns mehr oder weniger regelmäßig gehörten anderthalb Radiosender und TV-Musikkanäle beziehen.) Diese Herren sangen einen seichten Schlager, wie man in Deutschland sagen würde, hampelten grotesk herum, und eine im Aerobic-Stil der 80er-Jahre gekleidete Rollschuhfahrerin drehte zwei nette Pirouetten dazu.

Aber seht selbst: Sanremo 2021 – Colapesce e Dimartino cantano ‚Musica leggerissima‘

Am zweiten Abend erwischte ich meinen Mann dabei, wie er auf der Couch sitzend die Wahnsinns-Choreo (MUSICA LEGGERISSIMA – TUTORIAL) mit den Armen imitierte und selig grinste. Ich blieb weiter stur, so schnell ließ ich mich nicht einlullen.

Am Finalabend mussten wir eingestehen, dass uns der Titel bereits wie ein verdammter Wurm ins Ohr gekrochen war, wir wippten mit den Füβen im Takt und machten längst keine dummen Bemerkungen mehr. Tatsächlich reichte es zu Platz Vier, Colapesce und Dimartino verpassten nur knapp das sogenannte Superfinale, die Endabstimmung zwischen den ersten Drei.

Als ich ihren Song dann zum ersten Mal im Autoradio hörte, drehte ich laut auf und pfiff den gepfiffenen Teil mit. Spätestens in diesem Moment kürte ich den neuen Ohrwurm für mich zum Song, der dieses Frühjahr 2021 repräsentiert.

Nun will ich euch hier nicht mit einer Übersetzung des gesamten Textes langweilen, am besten seht ihr euch das offizielle Video an. Die Bilder sprechen für sich, besser als der Text allein es vermag.

Nur so viel:

Metti un po‘ di musica leggera, nel silenzio assordante. Per non cadere dentro al buco nero che sta ad un passo da noi, da noi … Leg ein bisschen leichte Unterhaltungsmusik auf, in dieser ohrenbetäubenden Stille. Damit wir nicht in das schwarze Loch fallen, das nur einen Katzensprung von uns entfernt liegt …

Was meint ihr: Lenkt uns leichte Unterhaltungsmusik nur zu lange davon ab, den Abgrund zu sehen, auf den wir uns zubewegen? Oder kann sie helfen, gerade in frustrierenden Situationen wie dieser Pandemie, die nicht enden zu scheint, den Verstand nicht zu verlieren und den Optimismus zu bewahren, der uns hilft, weiterzuleben und nach vorne zu schauen?

Foto: Aus dem offiziellen Video Colapesce, Dimartino – Musica leggerissima

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

27 Kommentare zu „Gute Unterhaltung! Mit Musik geht alles leichter.

  1. Ich bin auch ein großer Fan von “musica leggera” von Colapesce und Dimartino, die mich an eine italienische Miami Vice Version erinnern (Catania Vice vllt). Für den Römer ist natürlich Ermal Meta der eigentliche Gewinner, der mich an den jungen Rudi Völler erinnert. 😄 “Lui potrebbe cantare anche la lista della spesa e render cmq la cosa magica.” sagte der Römer und kommentierte lustigerweise einer unter das Youtube Video. 😄 Ich finde aber auch den Song von Fedez & der bezaubernden Francesca Michielin sehr gelungen. Mit den Gewinnern kann ich nichts anfangen. Dafür bin ich wohl schon zu alt. 😅

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    1. Ma dai, zu alt! Dass ich nicht lache. 😂
      Stimmt, Ermal Meta singt fantastisch. Aber er wäre wohl zu ähnlich, „sulla stessa riga“, zum Vorjahressieger Diodato gewesen. Francesca Michielin hat auch meine volle Unterstützung, vielleicht hätte sie besser allein singen sollen. Sie braucht nicht die Follower von Fedez/Ferragni. Ihr „Nessun grado di separazione” Sanremo 2016 war zum Niederknien schön.

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  2. Musik hilft immer und hat immer geholfen. In deutlich schlechteren Zeiten schon. Denken wir bloss einmal an die Gospel Musik der amerikanischen Südstaaten. Und die italienischen Songs leben doch schon durch die Sprache. Da ist doch schon im Alltag überall Musik drin. Das macht letztendlich alles etwas leichter.

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  3. Interessante articolo (letto grazie a google traslator 😉 ) Mi hai incuriosita quindi ho ascoltato la canzone di Colapesce e Dimartino in effetti è orecchiabile e gradevole. Mi è piaciuta e me ne ha ricordata un’altra di qualche anno fa che non vinse Sanremo, che a me piacque molto ma di cui in questo momento mi sfuggono sia il titolo che l’autore, appena mi tornano in mente la linko
    🙂

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  4. Magnifico! Danke für das Update zum San Remo Festival und ich kann Dir nur zustimmen, der vierte Platz ist der Sieger der Herzen… das macht wirklich gute Laune und kann vielleicht eine kleine Antwort darauf geben, wo die Freude geblieben ist. Mille grazie für diese italienischen Impressionen und einen schönen Sonntagabend! Buona serata!

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    1. Vielen Dank, Barbara! Es ist mir Herzenssache, von hier zu berichten und ein bisschen italienisches Lebensgefühl über die Ländergrenzen zu senden. Die Musik ist immer ein besonders geeigneter Botschafter.😍
      Dir auch einen schönen Abend, liebe Grüße Anke

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  5. Liebe Anke, na, auf jeden Fall kann leichte Unterhaltungsmusik in schweren Zeiten helfen! Und nur, weil es „leichte“ Kost ist, bedeutet das ja noch lange nicht, dass die Musik qualitativ/textlich/technisch schlecht sein muss! Daher greife ich auch gern auf sie zurück.😊

    Gute Nacht! VVN

    P.S.: mein heutiger Beitrag hatte ebenfalls eine Diskokugel zum Inhalt- 😹

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    1. Lieber Valentin, so sehe ich das auch.
      Was du gestern bei dir geschrieben hast, kam für mich offensichtlich zu spät … schaue ich mir heute aber gerne noch an. Auch wenn die Diskokugel den Eindruck erweckt, ich sei Partytier und Nachteule, ist dem nicht ganz so 😂
      Guten Morgen und schönen Tag dir!
      LG Anke

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    1. Und manchmal gelingt sogar mehreres. Bei „Musica Leggerissima“ pfeift man mit und fühlt sich unbeschwert, weiß aber zugleich, dass auch viel Botschaft drinsteckt. Perfekt!
      Beschwingte Grüße auch an dich für eine unbeschwerte Woche!😊

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      1. In Ispra, einem ganz kleinen Dorf am Lago Maggiore. An Varese kann ich mich gut erinnern, autotechnisch fand ich die Stadt immer sehr kompliziert. Kann mich an ein paar Nervenzusammenbrüche erinnern. Ansonsten sehr sehr schön…

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