La Contornista – die Beilagenköchin

Liebe Foodblogger und alle, die sich der wunderbaren Kochkunst verschrieben haben! Lest jetzt lieber nicht weiter, es sei denn, ihr seid sehr, sehr tapfer. Oggi come oggi (was in Italienisch so viel bedeutet wie heutzutage), wo alle nicht nur Hobbyköche, sondern trainierende Anwärter auf eine Teilnahme bei Master-Chef sind, gebe ich es mit gesenktem Haupt zu: Die Küche ist nicht das Reich meiner Träume.

Nicht, dass ich gutes Essen verschmähe oder gar die fantastische italienische Küche ablehne. Natürlich speise und schlemme ich gerne, bin weder der guten Hausmannskost noch der kreativen Sterneküche abgeneigt. Aber wenn die Speisen jemand anderes für mich zubereitet, genieße ich sie doppelt. Darf man das sagen? Nun werdet ihr euch fragen, wie es meinen Bambini mit so einer ganz und gar nicht ins italienische Klischee passenden Mamma geht. Zumal wir leider auch keine Nonna oder Zia (Oma oder Tante) haben, die uns sonntags zum Pranzo (Mittagessen) einlädt. Aber, Moment mal, was habe ich da gerade geschrieben? Hausmannskost. Es heißt doch so, oder? Na also!

Mein Mann hat es mittlerweile aufgegeben, den „Chef dentro di me, che non vuole uscire“ ‒ den tief in mir drin schlummernden Chefkoch ‒ zu wecken. Er hat sich in sein Schicksal gefügt und selbst das Tagliere (Schneidbrett) in die Hand genommen. Dummheit schafft Freizeit? So könnte man meinen, aber eigentlich kam alles ganz anders. Es begann damit, dass ich meinem Mann, als er noch ein Verehrer war und mich das erste Mal besuchen kam, etwas ganz Besonderes kochen wollte. Ich hatte doch tatsächlich geglaubt, einen Italiener mit einem Klassiker der gutbürgerlichen deutschen Küche verführen zu können. Also kochte und servierte ich ihm Rinderrouladen. Die konnte ich damals recht ordentlich, ich war mir sicher, eine Bella Figura zu machen. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr, wie er sich beim Verzehr zu meiner Kochkunst äußerte, aber es waren sicherlich Komplimente. Dass er diese nur im Eifer der Eroberung hatte formulieren können, erfuhr ich indirekt erst viel später. Als wir uns besser kannten und unsere Vorlieben und Abneigungen offen auf den Tisch packten, kam es raus. Mein Mann ist ein guter Esser, aber es gibt einzelne Zutaten, die er absolut verabscheut. Wenn ich euch jetzt sage, dass dazu Zwiebeln, Speck und Senf gehören, versteht ihr, warum es bei uns keine deutschen Rinderrouladen mehr gibt.

Dabei begann meine Kochkarriere recht früh, im zarten Alter von 13 oder 14 beglückte ich meine Eltern an Sonntagen regelmäßig mit Selbstgekochtem. Vielleicht erlitt die Karriere, die so hoffnungsvoll begonnen hatte, nur deshalb einen Einbruch, weil ich danach einige Jahre als gutverdienender Single lebte und lieber mit Kollegen essen ging als für mich allein zu kochen. Daheim allein lernte ich, mich zu arrangieren und zu improvisieren. Was kann man zaubern, wenn eigentlich nichts Vernünftiges im Kühlschrank ist? So entstanden Meisterwerke der Singleküche. Kennt ihr Milchnudeln ohne Nudeln? Oder Brot-Steak mit Grillgewürz und Ketchup? Meiner Improvisationskunst wurden damals keine Grenzen gesetzt, von niemandem.

Als ich mit meinem Mann zusammenzog, lag der Kochlöffel anfangs noch in meiner Hand. Bis heute erzähle ich voller Stolz, dass ich es war, die Deutsche, die ihren Italiener in die Grundlagen des Risotto-Kochens einführte. Das hatte ich mir bei meinen Gastgebern abgeschaut, bei denen ich in den ersten Monaten in Italien zur Untermiete wohnte. Ich sage mal so: Wir kamen kulinarisch über die Runden, und mein Mann war wohl nicht übermäßig anspruchsvoll. Das änderte sich im Laufe der Zeit, und vom ursprünglich nur fürs sommerliche Grillen Verantwortlichen entwickelte er sich zum wahren Chef de Cuisine. Er überbot mich schnell mit raffinierten Risottos, wagte sich an Fisch in Salzkruste, entdeckte das Niedrigtemperaturgaren und die hauseigene Pasta-Herstellung und experimentierte mit neuen Gewürzen. Aber vor allem zogen nach und nach neue Küchengeräte und Accessoires bei uns ein. Die braucht man, sagt mein Mann. Ich bräuchte die nicht. Beim Kochen und Backen bin ich zum Minimalisten mutiert. Einfach, schnell und trotzdem gut ist meine Devise. Neulich lachten sich meine Mädchen fast kaputt, denn sie machten sich über ihre Mutti lustig, die jedes Jahr dieselben simplen Ausstechplätzchen zu Weihnachten und die Basisrezept-Muffins zu den Geburtstagen brachte. Aber geschmeckt haben sie euch doch immer, fragte ich hoffnungsvoll. Na klar, versicherten sie mir schnell, und kamen gleich für ein Trostküsschen zu mir. Seit dem ersten Lockdown haben sich meine Töchter zu unseren königlichen Hofkonditoren entwickelt. Ich muss lediglich für die immer vorhandenen Zutaten sorgen, denn ihre ungezügelte Backlust überkommt sie meist spontan und ohne, dass mir Zeit bleibt, etwas zu besorgen. (Deshalb der vierte Punkt auf meiner Liste der 10 verrücktesten neuen Gewohnheiten).

Nun fragt ihr euch sicher, was es nun mit dem Titel der Contornista*, der Beilagenköchin, auf sich hat. Richtig, das ist gegenwärtig meine offizielle Einstufung im familiären Küchenteam. Während mein Mann sterneküchenverdächtige Fleisch- und Fischgerichte zaubert, überlässt er die (Gemüse-)Beilagen mir. Alles was ich dazu brauche, ist meine Mikrowellendampfgarschüssel und manchmal das Ofenblech oder die Pfanne. Einfach und natürlich ist auch hier meine Devise, aber das schmeckt bei Gemüse meist ohnehin am besten.

Seit ich blogge, beschwert sich mein Mann, sei ich noch unzuverlässiger geworden. Gern verpasse ich mal den Starttermin für die Zubereitung, und dann sind wir nicht koordiniert fertig. Oder mir brennt in der Pfanne etwas an. Aber die ganze Zeit vorm Herd dabeistehen, während der Laptop nach mir ruft? Och nöö. Das fällt mir schwer, die Blogger unter meinen Lesern werden dafür vermutlich volles Verständnis haben.

Ein versöhnlicher Gedanke zum Schluss: Es ist noch längst nicht aller Tage Abend, nicht alle Gerichte sind serviert. Vielleicht ist der Titel Contornista* nur eine Stufe auf der kulinarischen Karriereleiter, bis irgendwann auch in mir die Leidenschaft für große Küche erwacht. Bei manchen Menschen entwickelt sich das später, heißt es. Vielleicht dann, wenn ich als Nonna der Familie doch noch eine Bella Figura machen will. Wer weiß. Das Talent schlummert womöglich sehr sehr tief in mir drin, es muss nur noch seinen Weg finden und sich zu erkennen geben.

*Dieses Wort findet sich übrigens (noch) nicht im offiziellen italienischen Wortschatz. Mein Mann hat es erfunden, oder war ich es? 🤔😂

Titelbild: Natürlich sind das keine Beilagen, sondern Antipasti. Alle Ehre gebührt auch hier meinen Töchtern, die für Zubereitung und Arrangement verantwortlich zeichnen. Ich formuliere den Text dazu. Muss ja auch jemand tun.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

32 Kommentare zu „La Contornista – die Beilagenköchin

      1. Alle Gäste haben überlebt..😊 Wichtig war, dass ich den 2 Stunden Backofenzeit stets mein Appartement vorzeigeferig machen konnte.

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    1. Die scheinbar einfachen Sachen sind manchmal die kompliziertesten 😉 Ich hoffe, du wurdest heute wieder bekocht oder beliefert und wünsche dir einen schönen Abend!

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  1. Wunderbar in Worte verpackt und deinen Lesern auf den Punkt serviert. 🤩 Ich möchte nicht egoistisch klingen, aber ich persönlich bin froh, dass du nur die Beilagenköchin bist und somit mehr Zeit, schreibend, am Laptop verbringst. Denn wärst du der Chef de Cuisine, würden wir vermutlich den Blog deines Mannes lesen. Und ob der so gut wäre, müssten wir erst herausfinden.😉

    P.S. Für gut gemachte Rinderrouladen würde ich meine Spülmaschine versetzen und das will was heißen. 😄

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    1. Der Blog meines Mannes … ich versuche mir gerade vorzustellen, worum es da gehen würde. 🤔😂 Vielleicht um meine versteckten Qualitäten, nach denen er immer noch sucht. Er liest nicht, schon gar nicht in Deutsch. Aber da geht es dir vermutlich mit dem Römer nicht anders. Sie müssen uns blind vertrauen, was wir hier so, auch über sie, zum Besten geben. 😉
      Treffen wir uns mal auf eine Rinderroulade in Frankfurt, was hältst du davon? Ach, es gibt so einige deutsche Klassiker, die ich hier vermisse. Es wird mal wieder Zeit, dass ich im Urlaub in Deutschland Gelegenheit habe, all das zu genießen, was mein Mann nicht mag.

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      1. Ein überaus unterhaltsamer Blog wäre das, der beleuchten würde, welche Fallstricke es gibt, wenn man mit einer Deutschen liiert ist. Vermutlich würde er in kürzester Zeit durch italienische Talkshows tingeln und sein Leid vortragen. 😄

        Ab und an frage ich den Römer nach einem korrekten, italienischen Satz, aber mehr hat er mit meinem Blog nicht zu tun. Sonst würden wir uns vermutlich schon beim ersten Satz in die Haare bekommen, weil er es ganz anders sieht. 😄😉
        Rinderroulade in Frankfurt? Aber ja doch, jederzeit! 🤤😍
        Hoffentlich kehrt bald die Normalität zurück, so dass du alles, kulinarisch und familiär, nachholen kannst. 😃

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      2. Unsere Männer könnten sich zusammentun und einen Blog starten, auf dem sie das Zusammenleben als Italiener mit einer Deutschen und die Unterschiede, die sich daraus ergeben, ob man das in Italien oder in Deutschland tut, beleuchten. Spannend! 😉

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