Eiskalt nachgerechnet

Italien ohne Gelato ist wie … wie Deutschland ohne Fassbrause. Das klingt nach einem Klischee von gestern? Gut möglich. Mittlerweile ist wohl auch für die Deutschen das Speiseeis ‒ gerne als „Original italienisches“ verkauft ‒ die liebste süße Erfrischung unterwegs.

Ich möchte behaupten, Gelato Artigianale, also hausgemachtes Eis aus der Gelateria, könnte als Maßstab für den Anstieg der Lebenshaltungskosten herhalten. Zugegeben: Eis ist auch in Italien kein Grundnahrungsmittel. Aber, so meine ich, eine erfrischende Leckerei, die sich jeder hin und wieder leisten können sollte. Manchmal denke ich mit Wehmut an Familien, die beim Sonntagsspaziergang ihre Kinder weg von der Eisdiele, hin zur Bar ziehen müssen, wo es das günstigere abgepackte Wassereis gibt. Denn ein Gelato aus der Eisdiele hat bei uns mittlerweile den Preis einer Delikatesse erreicht. Ich habe noch gut den Sommer 2008 in Erinnerung, in dem ein kleines Eis in unserer alteingesessenen örtlichen Gelateria 1,40 Euro kostete. Eine Waffel (Cono) oder einen Becher (Coppetta) mit zwei Sorten bekam man dafür. Seither habe ich beobachtet, dass dieser Preis Jahr für Jahr um 10 Cent angehoben wurde.

An einem Nachmittag vor drei Wochen war es wieder soweit. Die Stunde der Wahrheit in Sachen inflationärer Eispreisanstieg war gekommen. Die Sonne schien, die Kinder spielten auf der Piazza, und ich dachte, dass ich mir das erste Straßen-Eis des Jahres gönnen sollte. Immerhin war es schon Ende März. Die Gelateria, von der ich hier erzähle, schließt von November bis Mitte Februar ihre Türen. Man geht in den verdienten Jahresurlaub. Im Winter ist der Eiskonsum in Italien längst nicht so populär wie in Deutschland. Die Eisdielen können sich eine lange Winterpause aber auch leisten, wie es scheint. Als ich nun zum ersten Mal in diesem Jahr den süßen Tempel betrat, war ich gespannt auf den Kostenpunkt. Ich erinnerte mich nicht genau an den Preis des Vorjahres, da wir zum Eisessen mittlerweile lieber in den Nachbarort gehen. Es zog mir fast die Schuhe aus: 3 Euro. Gegenüber 2008, also innerhalb von fünfzehn Jahren, hat sich der Preis mehr als verdoppelt. Zuletzt muss es einen Sprung von 20 Cent gegeben haben. Bei uns im Ort, wohlgemerkt! In unserem kleinen Kaff, in dem auch ein Eisladen nicht von Touristen lebt, sondern von den Einwohnern. Denkt bitte nicht, ich rede hier von einer „groβartigen“ Riesenportion mit Sahne und Soße und Schokostreuseln, von der man zum Mittag satt wird. Nein, für drei Euro gibt es zwei Löffel voll Eis in den kleinsten Becher gestrichen. So wie ihr es im Titelbild seht. Ich habe mein erstes und womöglich letztes Eis aus dieser Gelateria für den Artikel fotografiert. Da es mir eher zu süß und zu cremig ist (ein Hinweis auf künstliche Basismischungen oder Zusätze), gehe ich künftig lieber in die ehemalige Eisdiele der Signora Langsam. Die herzensgute Eiszauberin fehlt uns sehr, aber auch ihre Nachfolger machen gutes Eis zu vernünftigen Preisen.

Ob man den Gelato-Index auch bei Gehaltsverhandlungen anwenden kann? Ich frage für eine Freundin. Warum eigentlich nicht! Sie arbeitet seit 2008 beim selben Brötchengeber, im Eisvergleich ist ihr Gehalt dort sinnbildlich eingefroren. Bei Brötchenpreisen wird die Abrechnung nicht besser ausfallen. Eine eiskalte Frechheit und höchste Zeit, das mal auf den Tisch zu bringen. Ich werde sie ermuntern, am besten bei einem Eis.

Mehr zum Thema: Auch der Spiegel widmete den Eispreisen in Deutschland kürzlich einen Artikel. Darin berichten unter anderem Eisdielenbetreiber in München und Hamburg vom Geschäft mit der kalten Köstlichkeit und begründen ihre aktuelle Preispolitik.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

35 Kommentare zu „Eiskalt nachgerechnet

    1. Stimmt, das gibt es. Ehrlich gesagt sehe ich fast nie, dass jemand so ein Brioche mit Eis isst. Bei uns sind das auch abgepackte, industrielle Teigstücke, die schmecken so la la.

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      1. Dort sind sicher die Brioche besser, wenn nicht gar frisch vom Panettiere. Kombiniert man nicht in Sizilien gar zum Frühstück Brioche und Granita? Es wird Zeit, dass ich diese Dinge mal kennenlerne.

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      2. Guten Morgen, genau die Granita al Limone mit einer Brioche ist bei uns eine Mahlzeit. In Catania wird die Brioche auch mit Pistazieneis serviert. Echt lecker und am besten in Sizilien probieren.

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  1. Beim Lesen dieses Beitrages fällt mir wieder ein, dass ich eine notorisch schlechte Eisesserin bin. Im vergangenen Sommer habe ich kein einziges gelato geschleckt, dabei kenne ich in Wien in meinem Grätzel zwei sehr gute Eisdielen und in Erfurt gibt es den Eiskrämer auf der Krämerbrücke, die ausgefallen schmackhafte Variationen anbieten.
    Aber: Ich bin eine schlechte Eisesserin und wenn ich doch Gusto darauf habe, sehe ich die Leute in einer Schlange drängeln und ich verzichte darauf…

    Aber: Neues Jahr, neues Glück.

    Um zum Thema zu kommen: Ich habe demzufolge keinen blassen Schimmer, wie teuer oder billig ein Eis dann sein darf. (Ich erinnere mich nur an die erste Hälfte der 1990er Jahre, da hat eine Kugel Eis in einem Stanitzel 50 Pfennige gekostet.)

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    1. Ein Stanitzel? So also sagt ihr in Wien zum Cono (Waffel, Tüte), habe ich wieder was gelernt. Und Grätzel ist der Kietz. Nett! Werde ich beim nächsten Mal, wenn ich meine Wiener Freundin treffe, mal anbringen.
      Du bist kein Eis-Fan? Womit erfrischst du dich denn bei einem Sommerbummel in der Stadt? Ich muss sagen, auch wenn oft der Wunsch von den Kindern ausgeht, kommt es vor, dass ich mir ein Eis gönne, wenn ich allein unterwegs bin. Da kommt immer gleich Urlaubsstimmung auf. 😎

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  2. Hui! Drei Euro?! Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Inflation hin oder her.
    Auf dem Weg zu unserer Grundschule gibt es ein Eisgeschäft, wo eine Kugel vor gut zehn Jahren 90 Cent gekostet hat. Streusel gab es für 10 Cent dazu. Jetzt sind es 1,80 Euro pro Kugel. Da ist bei mir für ein Eis to go die Schmerzgrenze überschritten. (Für die Kinder gebe ich es aber schon ab und zu aus.)
    Knickrige (aber liebe) Grüße aus Berlin! 😉

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    1. Na, da hoffe ich, die Kugel ist wenigstens schön groß. 😉 In Italien bestellt und bezahlt man „Gusti“, also Sorten, und das Eis wird gestrichen. Das heißt, die Menge kann auch je nach Kunstfertigkeit und/oder Großzügigkeit des Eisverkäufers variieren.
      Liebe Grüße an dich!

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  3. Ich erinnere mich daran, wie nach der Einführung des Euro der Preis einer Kugel von 1,- DM auf 1,- € stieg. Ich konnte schon damals die Aufregung nicht verstehen. Eine verdeckte Verdoppelung, vor 20 Jahren. Und wenn er in den vergangenen 20 Jahren langsam auf 2,- € gestiegen ist, dann bezahle ich das GERNE! Hauptsache es ist gutes Eis beim Italiener und nicht aus dem Supermarkt.

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    1. Na klar, Qualität hat seinen Preis. Da wir hier sozusagen immer „italienisches“ Eis haben, gibt es jedoch auch dabei Unterschiede. Und es sind leider nicht die besten, die die höchsten Preise verlangen. Wohl eher die mit der besten Lage.

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  4. Mein Mann sagte vor vielen, vielen Jahren einmal: „Ich bezahle doch nicht einen Euro für eine Kugel Eis! Das sind ja zwei Mark!“ Damals kaufte ich mir trotzdem ab und zu diese Köstlichkeit zum gemütlich im Park sitzen. Seit ein paar Jahren mache ich das nicht mehr. Es wurde auch mir zu teuer. Ich weiß gar nicht, was eine Kugel in diesem Jahr hier im Wendland kostet. Ich gucke morgen mal nach. Nur gucken, nicht essen! Nur Park sitzen….😉

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    1. Ach ja. Die Euro-DM-Vergleichszeit war schon krass in Deutschland. Ich erlebte noch kurz zwischendurch die Italienische Lira, vielleicht hatte ich dadurch nicht so viel Bedenken bei den neuen Preisen.
      Ja, schau doch mal. Und wenn man es als Ausflug plant, statt eines Kaffeehausbesuchs, passt es doch auch mal. (Es sei denn, du magst Kaffee und Kuchen lieber.😉 )

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      1. Das stelle ich mir auch schön vor. Gut, wenn die Gelateria gleich am oder im Park liegt und man Platz findet. Ich mag es nicht, auf der Straße in der Menge drängelnd mein Eis zu essen, das ist nur der halbe Genuss.

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  5. Hallöchen, wir leben im wunderschönen Salento (Apulien) und auch hier sind die Eispreise zwar gestiegen, aber 3 € hat noch niemand verlangt. In den Orten mit Touristen zahlt man 2,50 € pro Hörnchen mit 2 großzügigen Kugeln, in den weniger frequentierten Orten aber nur 2 €. Hoffen wir mal, dass das im Sommer auch noch so ist 😉 Schöne Grüße an den Norden, in dem wir auch mal 9 Jahre gewohnt haben 🙋‍♀️

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    1. Ein herzliches Hallo nach Puglia! Danke für die Rückmeldung, es ist immer wieder schön, wenn hier auch mal neue Besucher mitlesen. Na, dann weiß ich ja, welche Gegend ich dieses Jahr für den Urlaub vorschlage. 🤩 Das Preisniveau hier bei uns in der Lombardei, an der Grenze zur Schweiz, ist wohl das höchste in Italien, von exklusiven Urlaubsregionen einmal abgesehen.
      Ich drücke die Daumen für diesen Eis-Sommer, liebe Grüße zurück!

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    1. Oppure, se guardi solo espresso e cappuccino, come la Germania. Queste bevande italiane sono state sempre un lusso e mio marito prende in giro i nomi come „Alfredo“ e simile.😉

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    1. Das stimmt. In dem verlinkten Spiegel-Artikel ist auch von dem Phänomen die Rede, dass die Menschen sich meist ganz genau an die Preise der Kindheit erinnern. Wenn man mit dem Taschengeld loszog und es sich selbst kaufen durfte.

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  6. Wie ich hier in den Kommentaren lese, sieht es in ganz Deutschland und über die Grenzen hinaus ähnlich aus. Ostbrandenburg macht da keine Ausnahme. Bei einem Ausflug über die Stadtbrücke nach Polen, kann man ein wenig Geld sparen und in Sachen Süßigkeiten, macht den Polen, wie seinerzeit den Russen, kaum einer etwas vor. Am meisten spart man, wenn man kein großer Eisfan ist, wie ich 😉

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  7. Das ist schon ein Hammer, ein derartiger Preisanstieg für ein Eis, das in Italien immer beim Bummeln dazugehört. Können die Eisverkäufer überhaupt von den Einnahmen leben, wenn es es sich immer mehr Leute einfach nicht leisten können, ein Eis zu kaufen.mm

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  8. Ich habe jetzt alles Mögliche „Drumrum“ gelesen, auch den Artikel im Spiegel. Ich war ja auch so entsetzt, als ich bei meinen Erkundungsfahrten 4,60 € für zwei Kugeln bezahlte, und die waren nicht so groß wie dein gefüllter Becher. – Also ist Eis zu Hause aus der Kühltruhe wohl doch die preiswertere Variante – aber verstehen kann ich langsam die Preiserhöhungen.
    Lieben Gruß zu dir

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    1. Meinen Becher hätte ich in der Hand ablichten sollen, um die Größenverhältnisse besser herauszustellen. Bei euch heißt es ja Kugel, und die können abhängig von der Größe des Portionierers unterschiedlich ausfallen, nehme ich an. Danke fürs Lesen und schönen Sonntag, liebe Clara!

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      1. Am besten kommt man, wenn man nur eine Kugel (für 2,30 € oder mehr) kauft – dann habe ich immer das Gefühl, dass die neben die sehr kleine Standardkugel noch ein wenig dazu packen, weil sich das angestellte Personal manchmal auch über den Preis schämt.

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