Das verflixte zweite Mal

Kennt ihr das auch? Ihr entdeckt ein tolles Lokal, einen netten Laden oder einen superschönen Ort, erzählt allen davon, und dann besucht ihr die traumhafte Stätte ein zweites Mal und erkennt sie nicht wieder. Der romantische Park ist hoffnungslos überfüllt, der Service im Restaurant mangelhaft, das Essen versalzen oder die Toilette verschmutzt. Was beim ersten Besuch ein Traum war, entpuppt sich vielleicht nicht als Albtraum, aber doch als große Enttäuschung. Ich habe das gerade bei Restaurants oft genug erlebt und bin seitdem vorsichtig, diese nach nur einem einzigen Besuch übermäßig zu loben.

Diesmal war es ein Ort am See, den wir als Familie seit Jahren lieben und kennen. Erst einmal, im zeitigen Frühjahr, war ich zu einem langen Schreibwochenende allein dort gewesen. Und war begeistert. Ende März hatte ich frühlingshaftes Wetter und ein rundum positives Erlebnis. Als es sich nun so ergab und auch des weiteren Schreibens wegen, hatte ich für Ende Mai noch einmal das gleiche Arrangement gebucht. Ich ging auf Nummer sicher und bat um dasselbe Zimmer, damit mir dieses verflixte zweite Mal nicht im Hotel passieren würde, mit einem engen Raum nach hinten raus, einem zu kleinen Schreibtisch oder einem Bad, in dem die Lüftung nicht funktioniert. Das kann einem schließlich alles passieren. Nein, mit der Unterbringung war wieder alles tipptopp, und womöglich wird es irgendwann eine kleine Gedenkplakette am Zimmer 104 geben: Hier übernachtete und schrieb … ähem, ich fantasiere. Was ich sagen wollte: Alles war fein am Nachmittag meiner zweiten Anreise. Bis zum Abend schrieb ich im Zimmer, Ende Mai waren es bereits 28 Grad und in der Sonne am See zu warm für mein nordländisches Gemüt. Gegen 19 Uhr wollte ich ein paar Schritte gehen und die herrliche Gegend genießen, wie ich das im März getan hatte. Vielleicht einen Aperitivo nehmen, wie damals in der neueröffneten Bar am Lido, dem Freibad. Schon bei meinem Rundgang vernahm ich in Seenähe einen unangenehmen Geruch, wie Abwasser roch es dort. Hatte das mit dem hohen Pegelstand nach den schweren Regenfällen zu tun? Der Uferbereich, wo sich sonst Enten, Schwäne und zuletzt sogar ein Afrikanischer Gru wohlfühlten, war mit einem Band abgesperrt und eine Tribüne verstellte den Blick. Egal, ich würde einen leckeren Campari Spritz bei den coolen Barleuten trinken, sicher gäbe es wieder eine Bruschetta dazu. Die Angestellte am Empfang begrüßte mich und überließ mir die Tischwahl auf der Terrasse. Sie wies mich auf den QR-Code hin, der auf den Tischen klebte. Fürs Menü. Grazie! Das kennt man heutzutage, kein Problem. Auch wenn ich bereits wusste, was ich wollte, scannte ich wie gewünscht, suchte und fand meinen Drink. Guter Dinge wartete ich auf den Kellner, der die Bestellung aufnehmen würde. Es kam aber keiner. Nun las ich doch die kleingedruckte Anleitung neben dem QR-Code, man solle auch online bestellen und bezahlen. Ich habe keine Internetbezahlfunktion und sicher würde einer der beiden Kellner, die da drüben gelangweilt herumstanden, gleich zu mir kommen. Das taten sie nicht. Ich wartete noch eine Weile, aber da es auch hier penetrant nach Abwasser roch und mein Drink einen stolzen Preis gehabt hätte, packte ich nach fünfzehn Minuten meine Tasche und verließ das Lokal. Keiner hielt mich auf oder fragte, was nicht in Ordnung gewesen sei. Dann eben nicht! Entschlossen steuerte ich das Hotel/Restaurant neben meiner Unterkunft an, dort hatte ich beim ersten Mal mittags nur schnell einen Caffè am Tresen getrunken und war sehr freundlich bedient worden. Auf dem Schild vor der Terrasse heißt es ausdrücklich: Bar/Ristorante. Auch hier würde ich etwas trinken können, vielleicht gäbe es eine Kleinigkeit zum Knabbern dazu, wie das in Bella Italia üblich ist. Es war gerade 19.30 Uhr, nicht mehr früh, aber auch noch nicht zu spät, einen Aperitivo zu verlangen. Voll war es nicht und nur einige Tische waren fürs Abendessen eingedeckt, die anderen mit einfachen Tischdecken vermutlich als Barbereich gedacht. Meiner Sache sicher betrat ich das Lokal, ein junger Kellner kam mir entgegen. Aperitivo? Kurze Pause. Dann entschied er sich gegen mich: Adesso serviamo la cena. Jetzt servieren wir das Abendessen. Le porto il menù? Soll ich Ihnen die Speisekarte bringen? Nein danke, antwortete ich schnippisch und war selbst überrascht von meiner Reaktion. Grummelnd und alle Lokale dieser Gegend verfluchend, stapfte ich hinaus. Zum Glück gab es immer noch mein Hotel, in dessen wunderbarem Garten ich einen schönen Platz fand und nett bedient wurde. Mittlerweile war es 20 Uhr geworden und tatsächlich Abendessenzeit. In der Luft lag hier nur der süße Duft des Jasmins, für mich der olfaktorische Inbegriff des italienischen Frühsommers. Bei einem Quartino di Vino versöhnte ich mich wieder mit der Welt. Ich musste an den unterhaltsamen Blogartikel von Luisle aus Berlin denken, den ich gerade erst gelesen hatte. Es gibt diese Tage (bei mir war es zum Glück nur ein Abend), da muss man einfach sagen: Morgen ist auch noch ein Tag.

PS: Die Absperrungen und Bauarbeiten hatten freilich nicht den Zweck, mich zu verärgern. Am kommenden Wochenende wird auf dem Vareser See eine Etappe vom Weltcup im Rudern ausgetragen. Zum Schreiben komme ich besser erst im Herbst wieder an „meinen“ See, wenn es bei angenehmen Temperaturen erneut romantisch und ruhig sein wird. Das hat man mir im Hotel versprochen.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

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