Und weiter geht’s …

„Auch ein Tritt in den Hintern bringt uns weiter.“ Ich weiß nicht mehr, worum es in der italienischen Komödie mit dem Titel „Modalità aereo“ ging, die ich vor Jahren sah. Aber diesen Satz habe ich mir damals notiert und hinter die Ohren geschrieben. Im vergangenen Jahr gab es so manche Tritte, und da spreche ich noch nicht einmal von der allgemeinen Weltlage, die ich mir erlaube, hier nicht einfließen zu lassen. Einer der Tritte, die mich persönlich betreffen und der mich garantiert weiterbringt, war der Erhalt der Kündigung. Die hatte ich angesichts unerträglich gewordener Umstände im Arbeitsumfeld heimlich herbeigesehnt, aber sie kam am letzten Tag vor den Ferien dann doch überraschend. Und fühlte sich wie ein Tritt in den Hintern an, obwohl es im Grunde ein Geschenk war. Dass es in unserer Gegend, in Norditalien und im Tessin, keine Stellenanzeigen gibt, die zu meinem Profil einer deutschsprachigen Marketing-Texterin passen, war mir längst klar. Also machte ich mich an die Arbeit, gedanklich potenzielle Jobs für mein so vages wie enthusiastisches Angebot zu entwerfen und Initiativbewerbungen an Adressaten zu schicken, die vermutlich nicht auf mich warten. Meine Outplacement-Beraterin sprach mir Mut zu und benutzte dazu die Bildsprache: Ich müsse jetzt aussäen, um in der Zukunft ernten zu können. Bis die Saat aufgeht, solle ich abwarten und Tee trinken. Sie sagte wörtlich und auf Deutsch: Abwarten und Tee trinken. Das fand ich nett, da wir doch italienisch miteinander sprechen. Mit der Umsetzung tue ich mich dennoch schwer. Weder ist das Abwarten eine meiner Stärken, noch bin ich ein großer Warmgetränke-Enthusiast.

Einige meinen ja, so eine Zwangspause sei eine gute Gelegenheit, sich neu zu erfinden. Kann man das mit Anfang fünfzig? Vielleicht geht es eher darum, zu prüfen, was man (noch alles) will im Leben. Ich möchte mich bei meiner Arbeitssuche von der Intuition leiten lassen. Notfalls gegen vermeintliche Regeln und auf unkonventionellen Wegen. Dabei bin ich nicht naiv, und das ist das Dilemma. Trotzdem! Es fühlt sich richtig an. Ich kann nicht anders.

Während ich in beruflicher Hinsicht flexibel und offen für Neues bin, gibt es im Privaten eine Sache, an der ich festhalte: das Schreiben. Schon in der Schule liebte ich es, Aufsätze zu verfassen. Auch damals hielt ich mich nicht an Vorschriften. Ich entwickelte das Thema intuitiv und wenn eine Gliederung verlangt war, schrieb ich die einfach hinterher dazu. Es ist immer gutgegangen. Einen Blog, zwei kleine „Erstlings“-Romane im Selbstverlag, eine literarische Übersetzung und viele Jahre Lebenserfahrung später schreibe ich seit anderthalb Jahren an einem neuen Text, aus dem ein Buch werden soll. Nach einem Gespräch mit einer, die sich mit Literatur auskennt, werde ich jetzt eine Überarbeitung beginnen. Ich weiß noch nicht genau, wie tiefgreifend sie ausfallen muss, was aus meinem Text wird. Der Gedanke, Geschriebenes loszulassen, macht mir Angst. Aber ich will es versuchen, ich habe nichts zu verlieren. Der erste Entwurf bleibt mir ja, und die Chance, dass die neue Version besser wird, ist groß. Ich höre immer wieder, dass Schriftsteller ihre Romane mindestens dreimal schreiben.

Mit einer lieben Freundin, die ich übers Bloggen kennengelernt habe und die meine Leidenschaft teilt, tausche ich mich hin und wieder aus. Das Schreiben gleicht manchmal einer Achterbahnfahrt. Phasen des kreativen Überschwangs wechseln sich ab mit Durststrecken, in denen wir beinah den Glauben verlieren. Aber wir kommen immer wieder zu dem Schluss: Aufhören ist keine Option. Schreibend tauchen wir in eigene Erfahrungen ab und entwickeln daraus neue Geschichten, die uns manchmal selbst überraschen. Texte, die in jedem Fall unseren eigenen Horizont erweitern, im besten Fall Leser und Leserinnen im Freundeskreis berühren und im allerbesten Fall einen Verlag überzeugen. Natürlich haben wir diesen allerbesten Fall immer als großes, zuweilen abstraktes Ziel vor Augen. Doch gerade der Weg dahin, selbst wenn man nie ankommen sollte, ist es wert, gegangen zu werden. Wenn man das einmal verstanden hat, ist alles gut. Meine Freundin und ich werden vermutlich immer schreiben. Wir können nicht anders.

In diesem Zusammenhang empfehle ich allen, denen es mit einer Leidenschaft ähnlich geht, das sehr amerikanische, gleichwohl inspirierende Buch „Big Magic“ von Elisabeth Gilbert, eine Art Kompass für ein kreatives Leben. Auch der Singer-Songwriter und Rapper Olly, Sieger des italienischen Songfestivals Sanremo 2025, teilte neulich einen Gedanken in einem Artikel bei Vanity Fair, der die Botschaft von „Big Magic“ sehr rational auf den Punkt bringt:

La differenza tra chi ce la fa e chi non ce la fa? Chi ce la fa, quando ha pensato a non farcela, è andato comunque avanti.

(Der Unterschied zwischen denen, die es schaffen, und denen, die es nicht schaffen? Diejenigen, die es schaffen, haben auch dann weitergemacht, als sie dachten, es nicht zu schaffen.)

Eine Aussage, so banal wie richtig. Anzuwenden in der Kunst, in der Arbeit, im Leben.

Deshalb lasst uns weitermachen! Weiter leben, weiter planen, weiter das tun, was uns sinnvoll erscheint. Aufhören ist keine Option. Für eure Vorhaben im neuen Jahr wünsche ich euch Kraft und Zuversicht. Und Freude bei allem, was ihr tut. Wenn dann auch noch das Weltgeschehen ein wenig von seinem derzeitigen Schrecken verlöre, könnte es ein gutes Jahr werden. Aufhören zu hoffen ist erst recht keine Option.

Titelfoto: Symbolbild von Pexels.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

5 Kommentare zu „Und weiter geht’s …

  1. Liebe Anke, ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du ein berufliches Angebot ganz nach deinen Vorstellungen bekommst, und dann beherzt zugreifst! Anfang 50 ist heutzutage kein Alter mehr, bei dem man sich Sorgen und die beruflichen Chancen machen muss – es ist das neue 30! Und deine Kinder sind auch inzwischen groß, so dass einer neuen Chance nichts im Wege stehen sollte! 🙂 Und bis es soweit ist? Schreibst du halt weiter an deinem Buch. 🙂
    Komm gut rüber und an – in 2026!
    💫🍀💞
    Herzliche Grüße Bea

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  2. Liebe Anke,
    ich sehe es genau wie Bea: 50 ist das neue 30!
    Ich beschäftige mich doch gerne mit solchen Dingen wie Feng-Shui. Dort stand das Jahr 2025 unter der Holz-Schlange: „Wachstum, Transformation und Weisheit, kombiniert mit der Kreativität und Flexibilität des Holz-Elements; es ist eine Zeit für neue Wege, innovative Ideen und das Überwinden alter Muster, fördert die Entwicklung von Wissen und Selbstverwirklichung und ermutigt zu diplomatischen Lösungen und bewussten Veränderungen im Berufs- und Privatleben.“
    2026 steht übrigens unter dem Zeichen des Feuer-Pferdes: „Ein Jahr voller dynamischer Energie, Leidenschaft und großer Veränderung, ideal für mutige Neuanfänge und kreative Projekte. Es stellt aber auch eine Herausforderung für die Selbstfürsorge dar, um nicht auszubrennen.“
    Egal, ob Schlange, Pferd oder ein anderes Tier: Ich wünsche dir, dass dein Neuanfang noch besser wird, als du ihn dir vorstellen kannst! Rutsch gut und vor allem sicher ins neue Jahr! Liebe Grüße, Eva

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  3. Liebe Anke, mit meiner Arbeitsstelle bin ich auch nicht ganz zufrieden. Vor fünfzehn Jahren aus Not angenommen, habe ich bisher noch nicht die Traute für einen Absprung gefunden.
    Danke für deine guten Wünsche, die Mut machen. Auch dir alles, alles Gute für 2026, Zuversicht und Ausdauer beim Suchen einer Arbeitsstelle, die dir Freude macht.
    Und weil der Weihnachtszauber für mich noch nicht vorbei ist, schreibe ich dir, was ich aus dem Gottesdienst am 24.12. mitgenommen habe:
    „Die Hoffnung gibt sich nicht geschlagen. Sie ist vielleicht die stärkste der Tugenden, weil in ihr die Liebe wohnt, die nichts aufgibt, und der Glaube, der den Tag schon in die Nacht hinein sieht.“ (F. Steffensky)
    Liebe Grüße, Bettina

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