Oder: Zeit, sich zu trennen!
Das Frühjahr ist bekanntlich die beste Zeit, um Ordnung zu schaffen, auszumisten, aufzuräumen. Und endlich mal wieder klar Schiff in Schränken und Schubladen zu machen. Zum Frühjahrsputz gehört bei mir auch, mich von überflüssigen Dingen zu trennen. Was die Kleiderschränke betrifft, so habe ich in diesem Jahr endlich ein lang prokrastiniertes Problem gelöst. Jedes Mal, wenn ich die abgelegten, aber lange nicht aufgetragenen Kleider der Töchter in große Plastiksäcke verstaute, wuchs das Unbehagen in mir. Das Unbehagen, keine sinnvolle Verwendung für die guten Sachen zu haben. Die Kinder der Verwandtschaft sind noch zu klein, ihnen würden sie erst in ein paar Jahren passen. Mal ganz davon abgesehen, dass wir die Ladung nach Deutschland verschicken müssten. Auch wenn bei Kinderkleidung (bis zu einem bestimmten Alter) die Mode zum Glück nicht so schnelllebig ist, wollen auch Kleider nicht jahrelang im Keller liegen und auf ihren Einsatz warten. Das drohte ihnen bei mir, fand ich doch lange Zeit keine vernünftige Annahmestelle. Ich suchte eine, bei der die Sachen direkt und ohne Umstände kostenlos in die richtigen Hände gelangen würden. Zu Familien, die sie gut gebrauchen können. Im Büro hörte ich nun endlich von einer Caritas-Einrichtung, bei der die Tante einer Kollegin mithilft. Zwei Orte weiter, aber gut zu erreichen. Also machte ich mich auf und fuhr mit Tüten und Kisten beladen los. Nun hatte ich sicher eine viel zu romantische Vorstellung von der Caritas und eine Art Second Hand Shop ohne Preise erwartet: gepflegt und mit nettem Personal, das sich mit mir unterhält und sofort weiß, wem meine Spenden eine Freude machen werden. Als ich am ersten Tag das kleine Kabuff neben der Kirche betrat und nach der Tante der Kollegin fragte, antwortete eine Signora knapp, die kenne man nicht. Schade. Ich lud trotzdem ab. Ein netter alter Herr half beim Tragen, während die mürrische Signora skeptisch zusah. Das müsste sie alles auspacken und … Keine Ahnung, was in ihr vorging. Ich sah auch den Raum nicht, wo man Kleidung aufbewahrte. Mit einem knappen Gruß wurde ich entlassen. Trotzdem fuhr ich am nächsten Tag wieder hin, denn mir war bestätigt worden, dass auch Schuhe gern genommen würden. Ich hatte dort ein paar abgelatschte Treter liegen gesehen, bei deren Anblick und dem Gedanken, dass die jemandem nützlich sein sollen, mir das Herz blutete. Also brachte ich am nächsten Tag einige Kisten mit Kinderschuhen, die kaum getragen worden waren. Als ich eintrat, kommentierte die Signora vom Vortag sinngemäß: „Sie schon wieder? Puh, Sie haben uns doch gestern schon vollgeschüttet.“ Dazu eine – für mein Empfinden – abfällige Geste. Da platzte mir der Kragen. Ich entgegnete höflich, aber bestimmt: „Ja, das habe ich. Mit guter Kleidung, in der Hoffnung, dass sich Menschen freuen würden.“ „Natürlich“, nickte schnell eine andere Frau. Ich gab die Schuhe ab und machte mich davon. Auf dem Rückweg kamen mir die Tränen, weil ich wieder nicht wusste, was mit unseren Sachen am Ende geschehen würde.
Wie ihr seht, hänge ich emotional noch sehr an Dingen, von denen ich mich trennen will oder muss. Doch der richtig herbe Schlag kam erst noch. Am gleichen Tag verlor ich etwas, das ich weder verschenken noch anderweitig hergeben wollte. Gegen Abend legte ich wie gewohnt meine Ringe im Badezimmer ab und stellte fest, dass einer fehlte. Mein Verlobungsring! Weißgold, mit kleinen Diamanten. Nicht, dass er ein Vermögen gekostet hätte, aber es war meiner. Unserer. Es lag mir viel an ihm. Die einzige Szene, die mir beim Nachdenken über den zurückliegenden Tag einfiel, war die, in der ich gegenüber der Caritas meine Sachen auslud. Ich hatte ein klimperndes Geräusch vernommen, mich umgedreht, aber nur einen kleinen Stein auf dem Asphalt gesehen. Jetzt verstand ich: In jenem Moment musste ich den Ring verloren haben. Er sitzt im Winter etwas locker und rutscht manchmal herunter. Genau wie der Ehering. Ich fuhr noch am frühen Abend zurück zum Ort des Geschehens. Mit einer Taschenlampe suchte ich den Parkplatz ab. Ich fragte auch in der Apotheke, vor der ich geparkt hatte, ob einer einen Ring abgegeben hätte. Natürlich nicht. Aber die Apothekerin kam mit mir raus und suchte gemeinsam mit einem Herrn, der sogar sein Auto extra umgeparkt hatte, noch einmal jede Ecke ab. Nichts! Am nächsten Tag wollten sie die Aufnahmen der Überwachungskamera ansehen. Ich nickte dankend, auch wenn sich mir der Sinn nicht erschloss. Schließlich würde ich nicht die Polizei einschalten, wenn man im Video sehen könnte, dass jemand meinen Ring gefunden hätte. Unverrichteter Dinge und doppelt enttäuscht fuhr ich heim. Der unfreundlichen Abfertigung bei der Spende und des verlorenen Erinnerungsstückes wegen.
Am nächsten Morgen im Büro zeigte mir die Kollegin einen Chatwechsel mit ihrer Tante, die sich für die grantige Mitarbeiterin entschuldigte und mir sehr dankte für die vielen schönen Sachen. Sie hätten auch sofort eine Mutter informiert, für die Nützliches dabei war. Mir fiel eine Last vom Herzen. Den Ring betreffend, lancierte meine Kollegin sofort eine Suchanzeige in der Facebook-Gruppe ihres Ortes. Und tatsächlich hörte ich am nächsten Tag, man hätte einen Ring gefunden. An einer anderen Stelle, aber es wäre ja möglich, dass … Mir wurde ein Foto übermittelt. Leider war es ein anderes Schmuckstück.
An jenem Tag suchte ich auch noch den Parkplatz vorm Büro ab. Man konnte schließlich nie wissen. Zwei weitere Kolleginnen standen gerade in der Nähe und suchten mit. Ich erzählte der halben Welt von meinem Missgeschick. Und alle wollten mir helfen.
Um eurer Frage vorzubeugen: Ja, zuhause hatte ich als erstes geprüft, ob der Ring nicht in der Handtasche, der Jackentasche, der Sofaritze abgeblieben war. Im Auto bin ich unter die Fußmatte gekrochen und habe den Kofferraum leergeräumt. Nichts. Nirgends. Eine Woche später hatte ich das Thema abgeschlossen und mich mit dem Verlust arrangiert. Mein Mann und ich, wir waren jetzt nicht mehr verlobt, aber verheiratet waren wir noch! Ich müsste auf den Ehering aufpassen, ihn in der kalten Jahreszeit besser am Mittelfinger tragen.
Wie ihr euch vielleicht denken könnt, ist die Geschichte hier noch nicht zu Ende. Wer mag, darf gerne Tipps abgeben, wo ich den Ring verloren, und wie ich ihn schließlich wiedergefunden habe. Nächste Woche erfahrt ihr es hier.
Titelbild: Symbolbild von Pexels.
Ich tippe mal auf die Schuhkiste? Und das die mürrische Frau den Ring fand???
Liebe Anke, aus deinem Schluss der Geschichte ist ersichtlich, dass der Ring wieder da ist und das ist die Hauptsache! .-)
Und dass es IMMER schwer ist, sich von Sachen, welcher Art auch immer – zu trennen, das kenne ich nur zu gut. Aber ich weiß inzwischen: Egal, wo ich sie abgebe, irgendwem werden sie helfen! 🙂
Viele – und sehr neugierige Grüße bezüglich der Auflösung… Bea 🧐
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Guter Tipp. Vielleicht schon beim Einpacken der Schuhe? Die mürrische Frau, die nicht mal den Familiennamen ihrer Kollegin kannte … ob die sich dann die Mühe gemacht hat, meinen herauszufinden, um mich zu kontaktieren? Wer weiß. Vielleicht war die Suchanzeige bei der Facebook-Gruppe am Ende hilfreich.
Danke für deine Neugier und du darfst gespannt sein, ob du der Lösung nahegekommen bist, liebe Bea!
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Es bleibt auf jeden Fall spannend… 🧐
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Mir fallen auch gleich einige Dinge ein, die einmal verlegt oder anderweitig verloren geglaubt waren. Die Freude des Wiederfindens ist unbeschreiblich und einem wird deutlich, wie sehr man an manchen Dingen hängt, was sie einem bedeuten. Natürlich erinnere ich mich auch schmerzlich an manches, was nie wieder auftauchte.
Bin gespannt, liebe Anke… bis dann, Bettina
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Eben, es sind Dinge, die mit Erinnerungen und lieben Menschen verbunden sind. Nie wieder aufgetaucht ist bei uns ein Brötchenmesser. Klingt bekloppt, aber auch daran hing ich, denn unsere Eltern hatten uns drei Schwestern jeweils eins dieser genialen Teile gekauft, der Griff jeweils in anderer Farbe. Meiner war rot, weil meine erste Küche in Leipzig weiß-rot war. Ich kann mir nur erklären, dass es versehentlich inmitten von Servietten und Essensresten im Mülleimer gelandet ist. Wie doof, aber eine andere Erklärung habe ich nicht. Die Spülmaschine wird es nicht verschluckt haben. Liebe Grüße!
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Ach, das ist sehr bedauerlich. Die gedankliche Suche, das Rekonstruieren, wie etwas verloren gegangen sein könnte, lässt einen nicht los. Manchen Verlust verwindet man nie.
Liebe Grüße.
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Spannende Geschichte! Irgendwo in oder bei den abgegebenen Klamotten?
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Stimmt, die Vermutung lag nahe. Mit Klamotten und Tüten und Kisten zu hantieren, birgt die Gefahr, dass einem etwas vom Finger rutscht. 😄 Mal sehen …
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Hallo Anke, einen Finde-Tipp werde ich jetzt nicht abgeben, da ich ja zu den chronischen „Verlegern“, nicht unbedingt Verlierern zähle – aber es sind keine Ringe, sondern Sachen, die ich wirklich brauche und irgendwo hingelegt habe, wo ich sie nicht finden kann.
Deinen Ärger bei der Kleiderabgabe kann ich gut nachempfinden. Man hofft ja, damit wirklich jemand etwas Gutes zu tun – und dann wird man so unwirsch behandelt.
Ich freue mich drauf, dass du ab nächste Woche wieder offiziell mit Ring verlobt bist, nicht nur simpel verheiratet.
Lieben Gruß von Clara
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Das kenne ich auch! Da wird man verrückt, wenn man etwas verlegt. Und gibt erstmal anderen Mitbewohnern die Schuld (in meinem Fall). Im Büro schleppe ich immer meinen Kugelschreiber mit mir rum, und dann vergesse ich ihn manchmal auf dem Schreibtisch eines Kollegen.
Ja, das Spenden ist gar nicht so einfach, wie es sein sollte, weil es leider auch viel Betrug und unschöne Praktiken gibt. Ich las auch gerade einige Artikel, dass (minderwertige oder der Klimazone nicht entsprechende) Altkleider in Afrika auf Müllhalden landen und zum Umweltproblem werden. Wie krank ist die Welt in ihrem Überfluss, und auf der anderen Seite gibt es doch so viel Armut.
Verlobt sein ist was Großartiges, verheiratet sein kann jeder! 😉
Liebe Grüße nach Berlin!
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Ich war zweimal verlobt, einmal verheiratet und einmal geschieden – so hat frau alles mal erlebt.
Der erste Verlobte hat mich ein halbes Jahr parallel mit einer anderen in einer anderen Stadt betrogen. – Mein Akustiker redet seit Jahren von seiner Verlobten, der Sohn kommt bald in die Schule – aber dieses Jahr heiraten sie endlich, da kommt der zweite Name vom Klingelschild weg.
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Das ist schön mit dem gemeinsamen Namen. Hier in Italien behält man nach der Hochzeit den Geburtsnamen. Dabei hätte ich gern den meines Mannes und meiner Kinder. Einmal wunderte man sich am deutschen Flughafen und fragte, ob die beiden Mädchen mit anderem Familiennamen tatsächlich meine Töchter seien.
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Um dieses Recht, ihren eigenen Namen behalten zu dürfen, haben hier viele Frauen kämpfen müssen – ein wenig auch meine Tochter. Sie war bei ihrer Heirat schon als Mathematikerin bekannt und wollte das nicht „einbüßen“.
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Die beste aller Welten gibt Eheleuten die Wahl, ob sie einen gemeinsamen Namen wählen, einen Doppelnamen oder jeder seinen behalten will.
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Liebe Anke, puh, da fällt mir aber ein Stein vom Herzen, dass du den Ring wiedergefunden hast!!! Ich lese weitaus lieber Geschichten mit Happy End – vor allem, wenn jemand involviert ist, den ich kenne und mag. Und wenn dein Verlobungsring unwiederbringlich verschwunden wäre, hätte ich das sehr traurig gefunden.
Was das Weggeben getragener Kleidung betrifft, kann ich dich sehr gut verstehen. Bei uns stapelt sich auch so Einiges, aus dem die Mädchen herausgewachsen sind. An vielen Dingen hängen sehr schöne Erinnerungen. Aber wir können nicht alles aufheben! Vielleicht finde ich auch eine Caritas-Annahmestelle in der Nähe – und hoffe auf bessere Laune bei den Mitarbeitern. 😉
Herzliche Grüße, Sophie
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Liebe Sophie! Ja, schau doch mal. Ich dachte immer, von den Erzählungen meiner Verwandten her, in Deutschland wäre es einfacher mit dem Kleiderspenden. Zuhause herumliegend erfüllen sie keinen Zweck. Den allerersten Strampler unserer Jüngsten trug bei uns noch die Babypuppe auf, so hatten wir länger was davon. 😉
Liebe Grüße nach Berlin! (Und morgen ist April. Ich freue mich für dich. 😊)
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Liebe Anke, danke fürs Mitfreuen! Ich kann es selbst kaum glauben: sieben Monate frei und so viel Zeit fürs Schreiben (und fürs Entrümpeln 😉)!
Viele liebe Grüße zurück!
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Wow, sieben Monate! Das ist ja fast bis Weihnachten.😄
Na dann, ran an die Tasten (und Schränke)!
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Das kommt mir sehr bekannt vor, ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht und mache sie immer wieder. Wie schön, dass Du noch etwas Schönes hast retten können.
LG Marie
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Besonders schön und überraschend war, dass ich den Ring doch noch fand, nachdem ich ihn bereits schweren Herzens abgeschrieben hatte … ich berichte im nächsten Beitrag. Danke und liebe Grüße an dich!
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Eine ganze Woche auf das Ende der Geschichte warten – du bist ja so gemein!
Wenn dein Ring wieder da ist, frage ihn bitte, wo sich Schmuck so versteckt. Meine Ohrringe mit dem blauen Glas habe ich in die obere Etage mitgenommen und seitdem sind sie weg. Wie vom Universum gefressen…
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Vielleicht ergibt sich aus meiner Auflösung ein Anhaltspunkt, wo deine Ohrringe sein könnten? Weiß ja nicht, wie eure obere Etage so eingerichtet ist. 😉 Ich fürchte, der Schmuck sucht sich eher nicht aus, wo wir ihn verlieren oder verlegen. 😆
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Ganz so drastisch will man sich dann eben doch nicht von Dingen trennen … 😉
Bin gespannt wie es weitergeht
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Ich auch! 😉 Schönen Sonntag in Berlin! Heute keine Wahl?
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Nee heute geht nicht. Heute ist Halbmarathon 🙂
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