In den Topf geguckt

Schaut ihr manchmal auch Filme oder Serien mit Untertiteln? Wenn man die Originalsprache nicht versteht und es noch keine Adaption gibt, ist das eine gute Sache. Da stört es auch nicht weiter, wenn das Geschriebene dem Gesprochenen nicht entspricht. Man liest und hört nur mit halbem Ohr oder gar nicht hin. In meinem Fall ist es oft anders. Es kommt vor, dass ich Filme mit Untertiteln sehe, obwohl ich die Sprache verstehe. Derzeit schaue ich mit meiner Tochter die Netflix-Serie „Stranger Things“. Ihr zuliebe und damit ich endlich weiß, wovon sie so begeistert ist. Sie sieht die Serie mit mir zum zweiten Mal. Beim ersten Mal war es die italienische Fassung. Ich bestand nun darauf ‒ für meine Bequemlichkeit und ihren Lerneffekt ‒ zusammen die deutsche Fassung anzuschauen. Meine Tochter wünschte sich die italienischen Untertitel dazu. Gut, kein Problem. Oder doch. Für mich. Denn es gelingt mir nicht, die Untertitel vollständig zu ignorieren. Ich sehe und höre in Deutsch, aber ein Auge gleitet doch hin und wieder zu dem Text am unteren Bildschirmrand, und da … wird es interessant. Ihr glaubt gar nicht, was für eine Welt sich einem eröffnet. Übersetzen ist schon an sich ein weites Feld. Beim Film ist es nochmal etwas anderes. Mir ist klar, dass keiner so schnell liest, wie er hört, so dass die Untertitel gestrafft werden müssen. Oft sehe ich aber, dass ganz anderes gesagt wird.

Kulinarisch abenteuerlich wird es, wenn in der Handlung Speisen auf den Tisch kommen. Im dritten Teil der ersten Staffel von „Stranger Things“ stolperte ich über folgende Szene: Karen steht unangekündigt bei Joyce vor der Tür und erklärt ihr: „Ich habe dir einen Auflauf mitgebracht.“ In den italienischen Untertiteln ist von Spezzatino (Gulasch oder Eintopf auf Fleischbasis) die Rede. Da man in den folgenden Szenen nicht zu sehen bekommt, was sie tatsächlich gekocht hat, bestand ich darauf, ins amerikanische Original hineinzuhören. Und zu lesen, man weiß ja nie. Da ist es ein Casserole, eine Kasserolle, die die nette Nachbarin mitgebracht hat. Im Amerikanischen, so erfahre ich bei der anschließenden Recherche, bezeichnet Casserole nicht nur den Schmortopf, sondern auch allgemein das Gericht, das darin im Ofen gegart wird. Auflauf passt daher im Deutschen prima. Im Italienischen gibt es einen allgemeinen Begriff wie „Auflauf“ nicht, man ist spezifischer und spricht von Pasta, Verdure, Polenta oder anderem in der Variante „al forno“ oder „pasticciata“, beides bedeutet im Ofen überbacken. Der italienische Untertitel-Schreiber mochte es in diesem Fall bissfester und hat sich für ein Gulasch bzw. fleischhaltigen Eintopf entschieden. Passt! Neugierde befriedigt, Ergebnis abgehakt.

Richtig veralbert wurden die italienischen Zuschauer hingegen bei der Serie „Deutschland 83“ (oder war es 86?). Die sahen mein Mann und ich mir zuliebe im deutschen Original. Für meinen Mann liefen die italienischen Untertitel mit. In denen wird ja nicht nur übersetzt, was gesprochen wird, sondern auch beschrieben, was geschieht. Und was gegessen wird. Einmal gab es da in der DDR Königsberger Klopse. Das sind bekanntlich ‒ und es war auch gut zu sehen ‒ gekochte Hackfleischklöβe in heller Soße, dazu Salzkartoffeln. Wisst ihr, was den Italienern erzählt wurde? Laut Untertiteln stand Arrosto di maiale con crauti (Schweinebraten mit Sauerkraut) auf dem Tisch. Wie es sich für einen zünftigen deutschen Haushalt gehört. So werden der Einfachheit halber Klischees genährt.

Ihr seht, bei mir wird nicht einfach gegessen, was auf den Bildschirm kommt. Ich will Klartext. Bin ich deshalb eine Erbsenzählerin? Vielleicht seid ihr auch schon mal über kuriose Abweichungen zwischen dem, was im Film gesagt oder gezeigt wird, und den Untertiteln gestolpert?

Titelbild: Symbolbild von Pexels.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

18 Kommentare zu „In den Topf geguckt

  1. Ich kann dir das gut nachfühlen. Umgekehrt fällt mir die Unstimmigkeit auf. Netflix läuft bei mir auf Italienisch. und wenn meine Nichte mitschaut, die italienisch lernt, haben wir deutsche Untertitel an. Lustig welche Unterschiede da stehen.

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  2. Manchmal wird auch in der gesprochenen Version geduzt und in den entsprechenden Untertiteln gesiezt, oder umgekehrt. Ich habe manchmal auch das Gefühl, dass zwei Übersetzer am Werk waren, einer der nur den Drehbuchtext übersetzt und einer, der auch den Film dazu sehen kann. Die beiden Versionen der Übersetzung können ganz unterschiedlich ausfallen. Ich habe das auch immer im Blick und amüsiere mich gern über Fehler wie die Königsberger Klopse, mein Lieblingsgericht. Wie soll man das übersetzen? Der Gipfel ist allerdinges, wenn auf einem Gebäude in riesigen Buchstaben „Police“ steht und im Untertitel „Polizei“. Oder „Pathology“ und unten „Pathologie“, Solche Übersetzer sollten von der Polizei/Police verhaftet und mit einer Ambulanz/Ambulance zum Hospital/Hospital gebracht werden.

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    1. Stimmt, du hast einen fachmännischen Blick. Untertitel schreiben, ohne den Film gesehen zu haben, ist so ähnlich wie die weit verbreitete Praxis, Gebrauchsanleitungen zu übersetzen, ohne das Produkt gesehen oder benutzt zu haben. Darunter leiden Millionen Nutzer weltweit, fürchte ich.

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    2. Bei der Netflix-Serie „Kleo“ wurden das gemacht, POLICE -> POLIZEI oder TELEPHONE -> ÖFFENTLICHER FERNSPRECHAPPARAT. Das hat mich am Anfang voll aufgeregt, bis mir aufging, dass es wahrscheinlich ein Scherz sein sollte.

      Übrigens eine ziemlich gute Serie, da steckt viel mehr drin als der Trailer verspricht.

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  3. Da kann ich leider nicht mitreden, liebe Anke 🤷‍♀️. Mein Mann und meine Tochter sind geradezu süchtig nach Netflixserien. Ich habe noch nicht eine einzige gesehen. Einen Film mit Untertiteln habe ich das letzte Mal zu DDR-Zeiten gesehen. Das waren Stummfilme, ich glaube sie hießen „Väter der Klamotte“. Herzliche Grüße aus dem verregneten Osten Deutschlands, Bettina

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  4. Aufgrund meiner angeborenen Hörbeeinträchtigung schaue ich mir stets Filme, Sendungen, Serien, hin und wieder Shows mit Untertiteln an. Und es ist interessant, in all den Jahren mitverfolgen zu können, wie – allein im nur Deutschsprachigen – die Untertitelung laufend verbessert werden. (Wenn ich mir einen uralten Film oder einen „alten“ Polizeiruf 110 auf MDR ansehe, bin ich oft irritiert, in welch krassem Gegensatz das Gesprochene und das Geschriebene stehen. Bei den neuen dagegen werden die Untertitel fast 1:1 wiedergegeben.)
    Seit ein paar Jahren schaue ich mir gern DVD- oder BluRay-Filme in englischer Originalsprache an und lese mit deutschen Untertiteln, da achte ich nicht so auf die feinen Unterschiede. Ich freue mich einfach, ein paar englische Wörter erfassen zu können. Für Netflix bin ich einfach zu oldschool.

    Aber die Königsberger Klopse nicht hervorzuheben, geht gar nicht!!!

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    1. Ob man bei den alten DDR-Filmen die Untertitel später dazugeschrieben hat? Bei unseren Fernsehern gab es doch diese Funktion gar nicht, meine ich. Aber vielleicht täusche ich mich da, es hat mich ja früher nicht interessiert. Wir hatten zwei Programme, und alles lief in deutscher Sprache (bis auf „English for you“ 😉) In Zukunft stelle ich mir vor, dass die Untertitelung bald von KI übernommen werden kann, warum nicht?
      Ich bin auch kein Netflix-Freund. Wie gesagt, ich versuche da meiner Tochter eine Freude zu machen, es ist auch blöd, überhaupt nicht zu wissen, was sie da schaut.
      Danke für deinen Kommentar und liebe Grüße nach Wien!

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  5. Ich finde Diskrepanz bei Synchronisierungen und Untertiteln eigentlich schön.
    Das zeigt, dass die Übersetzung eine eigene Kunstform ist.

    Ich stelle mir insbesondere das Synchronisieren sowieso wahnsinnig schwierig vor, weil man ja auch auf die Lippenbewegung achten muss. Dafür kann sich der Übersetzer oder die Übersetzerin ruhig ein paar Freiheiten gönnen!
    (Und manchmal wird es ja sogar besser als das Original, wie die deutsche Synchronisation des Unteroffiziers in „Full Metal Jacket“.)

    Was ich nie ganz verstehe: Was sollen Untertitel wie „vrrrooooooooommmmm“, wenn ein Flugzeug startet?

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      1. Diese verdammte KI macht uns alles kaputt. 😦

        Ich habe bis vor ein Jahren ganz gut vom Übersetzen (nur Englisch und Deutsch) leben können. Jetzt machen fast alles die Computer, und ich muss wohl oder übel wieder das einzige machen, was ich gelernt habe, und mich mit Mandanten und ihren Scheidungen und Sorgerechtsstreitigkeiten herumplagen.

        Ich kannte mal jemanden, das war aber schon vor mehr als 10 Jahren, der aus Litauen war und Türkisch studiert hatte.
        Er arbeitete als Übersetzer, und ich fragte ihn erstaunt, ob es so viele Aufträge für Türkisch und Litauisch gibt.
        Er sagte: „Eine türkische Telenovela, die jeden Nachmittag in Litauen läuft, hält mich am Leben.“

        In Litauen waren aber die Synchronisationen auch echt komisch. Der Übersetzer spricht die Synchronisation nämlich selbst ein, und die litauische Tonspur läuft dann über der Originaltonspur (die man aber noch hört).
        Also spricht dann ein Mann alle Rollen. Und dazwischen ein bisschen „peng, peng“ oder „ring, ring“, wenn es so im Drehbuch steht.

        Das ist ganz schrecklich:

        (In dem kurzen Ausschnitt hört man auch, wie sie sogar ausländische Namen an den litauischen Vokativ anpassen: „Banks“ wird zu „Bankse“)

        In Rumänien wurde das auch so gemacht, da gab es eine Frau, die alle Filme aus dem Englischen übersetzte und einsprach. Nebenbei synchronisierte sie illegal die ganzen Hollywoodfilme, die ins Land geschmuggelt wurden, so dass jeder Rumäne über 40 noch immer ihre Stimme kennt:
        https://andreasmoser.blog/2017/02/05/irina-nistor/

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      2. Interessant! Ich erinnere mich gar nicht, ob es in der DDR Filme mit Untertiteln gab. Einen Fernseher, bei dem man die verschiedenen Vertonungen und Untertitel wählen und beliebig kombinieren konnte, jedenfalls nicht. 😂

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