Der richtige Dreh

Fünfzehn Jahre ist es her, da konnte der Chefkoch nicht widerstehen und erwarb ein magisches Haushaltsgerät für die Zubereitung norditalienischen Maisbreis. Am 11.11.2008 war das. Wir wissen es so genau, weil der Kassenbon noch im Karton liegt. Nach der Anschaffung verbrachte der Paiolo (Kessel) diese fünfzehn Jahre in unserem Keller. Keinen Gedanken hatten wir mehr an ihn verschwendet. Ein einziges Mal stand der klassische Henkeltopf aus Kupfer auf unserem Herd. Früher hingen sie wohl über dem offenen Feuer, Oma saß mit dem großen Rührlöffel daneben und rührte sich die Seele aus dem Leib. Heutzutage wollen es Chefköche leichter haben. Deshalb ist der moderne Kessel nicht nur ein Kessel, sondern ein Elektrogerät. Mit einem Motor fürs Rühren. Das Kochen und Rühren eines ordentlichen Maisbreis dauert mindestens eine halbe Stunde, ist sozusagen „un po lenta“ (ein bisschen langsam). Vielleicht rührt daher der Name Polenta?

Für Elektrogeräte fühlt sich zu meinem Glück mein Mann zuständig, zumal für solche, die auf seinen Wunsch angeschafft wurden. Ich hatte keine Ahnung, dass es diese Polenta-Rührkessel überhaupt gibt. Außerdem bin ich kein großer Fan des traditionellen Arme-Leute-Essens. „Non mi fa impazzire“, ich bin nicht verrückt danach. Es reicht mir, wenn wir zweimal im Winter einen Teller Polenta irgendwo in einem Lokal oder in einer Berghütte essen. Den Brei finde ich ein wenig langweilig, dafür kann das Obendrauf sehr lecker sein: Gorgonzolakäse oder Brasato, ein weich geschmortes Rinder- oder Wildfleisch, vor dem Schmoren gern in Rotwein mariniert.

Als ich neulich, der kulinarischen Abwechslung halber, Maismehl für Polenta kaufte, dachte ich, ich würde sie im normalen Topf köcheln und hin und wieder umrühren. Doch meinem Gatten fiel ein: Wir haben einen Kessel!

Ich warnte ihn: Es gab einen Grund, dass wir den Topf in den Keller verbannt hatten. Erinnerst du dich, was das Problem war? Irgendetwas funktionierte ganz und gar nicht, wie du es gedacht hattest.

Ich meinte: Bitte lass nicht noch einmal etwas anbrennen, dann rühre ich lieber selbst.

Mein Mann beruhigte mich und versprach, das Risiko einzukalkulieren und nicht verrücktzuspielen, wenn das Experiment ein weiteres Mal schiefginge.

Auch wenn der Paiolo gut verpackt gewesen war, zerlegten wir ihn in alle Einzelteile, um sie gründlich zu reinigen. Als mein Mann das Motorstück in der Hand hielt, hörte ich ein triumphierendes „Das ist es!“ durch die Küche schallen. Die Erinnerung war zurück: Der Rührstab hatte damals nur in der Mitte gearbeitet und einen breiten Rand ungerührt gelassen, was den ganzen Brei verdorben hatte.

Die Gebrauchsanleitung liegt bei dem Schweizer Gerät nur in Deutsch bei. Vermutlich hatten wir sie damals nicht gelesen. Mein Mann hatte es nicht für nötig gehalten, ich keine Lust und volles Vertrauen in den Techniker und seine Intuition gehabt. Jetzt lese ich das Faltblatt aufmerksam. Da stehen so hilfreiche Warnhinweise wie: „Das Gerät nicht barfuß benutzen.“ Unseres Rätsels Lösung steht aber nicht geschrieben, sondern lässt sich aus einer Zeichnung erkennen, die drei Durchmesser zeigt. Es gibt den Kessel in drei Größen! Der Rührstab ist für alle Geräte derselbe, seine Breite lässt sich mit einer Schraube regulieren. Wir hatten nicht an der Schraube gedreht. Damals, beim ersten Versuch.

Jetzt haben wir den Dreh raus. Es reichte, an einer Schraube zu drehen. Wenn es doch mit anderen Dingen im Leben so einfach wäre.   

Titelfoto: Symbolbild von Pexels.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

20 Kommentare zu „Der richtige Dreh

    1. Ce ne sono di diversi tipi, e poi, diventa buonissima se aggiungi burro, formaggio … non so che trucchi ci sono. Infatti, preferisco farmela servire in un posto dove la sanno fare.

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    1. Fünfzehn Jahre ging es ohne … Bin selbst gespannt, ob wir jetzt wieder so lange nicht dran denken. Aber er steht nun in der Wohnung, da sollte es eher mal wieder selbstgerührte, das heißt, vom Topf gerührte, Polenta geben. 😀

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  1. Liebe Anke, wieder sehr anschaulich und amüsant geschrieben, danke! Ich mag Polenta, vor allem in einem Tessiner Grotto – doch DER MANN findet Polenta schrecklich, also koche ich sie zu Hause nie. Dafür geniesse ich sie dann eben in einem Tessiner Grotto. Sie schmeckt dann eh wunderbar nach „Ferien“! Liebe Grüsse, Elisa

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    1. Liebe Elisa, vielen Dank für dein Kompliment! Es ist schön, bestimmte Gerichte mit Urlaubsgefühl zu verbinden. Ich habe auch in Deutschland ein paar Gerichte, die mein Mann nicht mag. So weiß ich immer gleich, was ich bestelle: Sülze, Brathering, Leber … 🙂
      Liebe Grüße in die Deutschschweiz!

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  2. Liebe Anke, das war eine unterhaltsame Sonntagabend-Lektüre, die mich zum Schmunzeln gebracht hat (wie es deine Texte so oft tun). Vielen Dank dafür! Ist doch schön, dass ihr dem Kessel eine zweite Chance gegeben habt. Es kann manchmal so einfach sein. 😉
    Ich habe übrigens auch ein Küchengerät, das ich seit gefühlt 15 Jahren nicht mehr benutzt habe. Es steht allerdings nicht im Keller, sondern nimmt Platz in der Küche weg. Und es funktioniert auch einwandfrei, lässt sich aber nur sehr umständlich abwaschen. Es handelt sich um einen Entsafter. Interesse daran, liebe Anke? 😉
    Herzliche Sonntagabend-Grüße nach Italien!

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    1. Gern, so soll es sein, liebe Sophie!
      Oh ja, umständlich abzuwaschen ist ein Umstand, der auch mir Geräte verleidet. Also danke, aber nein. 😉 Bei uns steht übrigens ein großer Frullatore (Mixer) dekorativ in der Küche rum, auch kaum noch im Einsatz. Liebe Grüße nach Berlin!

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