Urlaubs-Mood

Was ist euer perfekter Urlaubsmoment? Ich habe in diesen Wochen erkannt, dass es für mich persönlich genau eine Art von Tiefenentspannung gibt, die eine Reise zum Urlaub macht: Es ist die Zeit nach dem Frühstück, in der ich am Tisch sitzen bleibe oder eine gemütliche Ecke finde, um noch einen letzten Kaffee zu trinken und mich in die Seiten eines Buches zu vertiefen. Eine halbe Stunde Nichtstun, keine Termine, keine Verpflichtungen. Der Tag scheint unendlich lang, alles ist möglich und wird auch geschehen, aber jetzt, in diesem Moment, läuft er mir noch nicht davon. Ich tue genau das, was ich liebe: lesen. Die Umgebung und ihre Geräusche ‒ leise Gespräche, klapperndes Geschirr, zischendes Milchaufschäumen, glucksendes Kinderlachen ‒ sind trotzdem da. Ein sanftes Rauschen und verschwommene Bilder formen die Kulisse, vor der ich abdriften und in die Geschichte eintauchen kann. In meinem Kopf kreisen die Gedanken nicht mehr, ein ruhiger Fluss hat ihre endlose Jagd ertränkt. Wie Honig oder warmer Vanillepudding fühlt es sich an, eine wunderbare Mischung aus Konzentration und Entspannung. Nennt man es Flow, oder kann man den so bezeichneten Zustand nur bei aktivem Tun erleben? Auch das Lesen ist eine Tätigkeit und Geschichten führen mitunter zu eigenen Sätzen, die ich nebenbei notiere. Vielleicht wird aus ihnen irgendwann ein eigener Text, vielleicht später am Tag ein Gespräch mit den Menschen, die mit mir auf der Reise sind und mir diesen kostbaren Moment schenken. Alles kann, nichts muss. Das Lesen nach der ersten Mahlzeit des Tages ist Entspannung vom Alltag, in dem das Frühstücken im Vorbeigehen stattfindet, weil die zur Verfügung stehende Zeit für Aufräumen draufgeht. Dabei frühstücke ich auch im Urlaub nicht sehr ausgiebig, dafür mit Genuss und Bedacht. Das Beste ist ohnehin der Abschluss. Ich weiß, es gibt viele Gelegenheiten, im Urlaub zu lesen. Aber keine fühlt sich so genial an wie die halbe Stunde nach dem Frühstück. Ich lese weder abends im Bett noch tagsüber am Strand, nicht im Liegen und schon gar nicht in die Sonne blinzelnd. Ich brauche keine Strandlektüre, die es vor Sonnenmilch und Sand zu schützen gilt und die man ungelesen wieder mit nach Hause nimmt (wie es Katharina Walser hier bei Zeit Online beschreibt). Ich sitze gern beim Lesen, im Sommer am liebsten im Schatten.

In einem gebrauchten Buch, das ich bei einer Benefizaktion in der Kirche von La Morra kaufte, steckte die Karte einer ehemaligen Turiner Buchhandlung Libri & Caffè, die ihr oben im Titelbild seht: Mood wie „Moments out of Duty“. Treffender kann man das Lesen im Urlaub nicht auf den Punkt bringen. Während zu Hause immer ein „Ich müsste, sollte, könnte eigentlich …“ grimmig neben mir auf dem Sofa hockt, sind Lesemomente in der schönsten Zeit des Jahres pure Lust am Müβiggang. Ich lese, also bin ich. Mehr Urlaub geht nicht. 

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

22 Kommentare zu „Urlaubs-Mood

  1. Strandlektüre hielt ich schon immer für überbewertet, genauso wie die hier verbreiteten „Business Lunches.“ Entweder esse ich zu Mittag, oder ich mache Geschäfte. Entweder ich genieße den Strand, oder ich lese. Ich wünsche dir einen schönen Urlaub mit viel Genuss und wenig Aufräumen! Übrigens: Als Rentner kann es mitunter schwierig sein, den Alltag vom Urlaub zu unterscheiden. Die viele Freizeit zu genießen, stellt manchmal eine echte Herausforderung dar. Wie man im Englischen sagt: „Be careful what you wish for.“

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    1. Danke, nun ist er schon wieder vorbei. Aber ich tröste mich mit der getankten Kraft und dem Argument, das du bringst: Wenn man es immer hätte, wärs halb so erquicklich.

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  2. Ich kann das so gut nachvollziehen! Im Alltag liest man ja sowieso selten am Vormittag und wenn ich das mache, stellt sich sofort eine Urlaubsgrundstimmung ein, insbesondere wenn ich auf der Terrasse sitze.
    Ich frühstücke nicht, sondern trinke nur meinen Kaffee. In Dänemark begab ich mich morgens mit Kaffeepott und Buch auf den Liegestuhl mit Blick aufs Meer und las, solange ich Lust hatte, manchmal den ganzen Vormittag, bis dann Bewegung angesagt war. Das waren auch meine schönsten Lesemomente! Meistens spielte das Wetter mit.

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    1. Hier ist dein Kommentar, liebe Regine. Vielen Dank dafür. Es gab einen Link am Ende, ich nehme an zu einem Artikel auf deinem Blog, der funktionierte nicht, deshalb habe ich ihn gelöscht. Liebe Grüße!

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  3. Liebe Anke, ganz wunderbar hast du beschrieben, was für dich dieses perfekte Gefühl ausmacht – mit all den kleinen Details, die dazugehören, um einen Zustand zu erreichen, der dich durch den Tag trägt und glücklich macht. Es hört sich für mich nach einem sehr schönen Ritual an, das dir offenbar auch von deiner Familie gegönnt wird. Dein Lese-Ritual nach dem Frühstück erinnert mich an den „Stillen Kaffee„, den ich am Morgen so liebe, wenn außer mir niemand wach ist. Seltsam, was eine halbe Stunde bewirken kann.

    Liebe Grüße aus Berlin!

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    1. Leider bin ich keine Frühaufsteherin, um es zu machen wie du, und habe mit einer Tochter eine in der Familie, die immer schon vor mir rumgeistert. Es bleibt ein Urlaubs- oder manchmal noch Wochenendritual. Danke, liebe Roswitha, und Grüße nach Berlin!

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  4. Liebe Anke, ich kann dich total gut verstehen. Lesen am Morgen oder Vormittag gleich nach dem Frühstück – das ist der pure Luxus!
    In der letzten Zeit komme ich eigentlich auch nur noch im Urlaub dazu zu lesen, der Alltag ist viel zu turbulent. Das ist schade, denn es gibt so vieles, was mich interessiert. Was hast du denn im Urlaub gelesen?
    Herzliche Grüße, Sophie

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    1. Wem sagst du das, liebe Sophie. Die Liste ist lang … Trotzdem habe ich auf die Reisen diesmal Bücher mitgenommen, die ich ein zweites Mal lesen wollte. Zwei dünne, handliche, auch für den Rucksack geeignete, und sie waren es wert: Kirchhoffs „Widerfahrnis“, und Sagans „Bonjour Tristesse“. Bei einem dicken Wälzer hätte ich es mit den halben Stunden nach dem Frühstück nicht so weit gebracht. Liebe Grüße nach Berlin!

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  5. Lust- Lesen gleich nach dem Frühstück? Da würde ich wahrscheinlich eher wieder einschlafen. 🙂
    Ich habe mir aber angewöhnt, an manchem Feiertag einfach mal einen Lese(nachmit)tag einzulegen. Was sich als gut bewährt hat, aber zu selten geschieht. Und Urlaub wie Ihr machen wir halt nicht.
    Genieße weiterhin Urlaub und Lesestunden. Liebe Grüße!

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    1. Feiertage sind auch Klasse. Sollen die anderen feiern und futtern gehen oder was sonst so ansteht, mit einem guten Buch auf dem Sofa kommt für Leseratten die schönste Festtagsstimmung auf.
      Danke und Sport frei, lieber Herr Ballblog!

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  6. Interessant. Meistens nehme ich meine Bücher unangetastet wieder mit nach Hause oder das Lesezeichen hat sich nur um ein Kapitel verschoben. Aber ich bin auch kein guter Leser, da schweifen meine Gedanken immer ab. Ich höre lieber 😉

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