Weihnachtspost für Europa

Ein Post? Nein, Post. Briefe und Karten … ihr erinnert euch? Bevor man sie in einen Briefkasten steckt, muss eine Marke drauf. Und zwar die richtige.

Neulich musste ich ins Postamt. Ein Einschreiben war gekommen und ich nicht dagewesen. So ist das immer. Man geht für eine halbe Stunde aus dem Haus und zack, steht der Briefträger vor der Tür. Da es sich um eine neue Kreditkarte und nicht etwa einen Strafzettel handelte, handelte ich schnell und zögerte den lästigen Besuch im Postamt nicht lange hinaus. Nun bin ich praktisch veranlagt und sehe immer zu, dass ich das Nötige mit dem Sinnvollen verbinde. Also beschloss ich, nach Briefmarken zu fragen, während ich auf das Aufleuchten meiner Nummer über einem der vier Schalter wartete. Briefmarken brauche ich hin und wieder, da ich es nicht lassen kann, zu Geburtstagen und Weihnachten analoge, handschriftliche Grüße zu versenden. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere an meinen Artikel vor zweieinhalb Jahren, in dem ich das Abenteuer Briefmarkenkauf im italienischen Postamt beschrieb. Jetzt kann ich bestätigen, dass sich seither nichts geändert hat.

Die erste Reaktion des Schalterbeamten auf mein Anliegen, Briefmarken kaufen zu wollen, kenne ich nur allzu gut:

„Briefmarken?“ Pause. „Sie meinen, Sie haben einen Brief dabei und wollen ihn aufgeben?“

Auch ich spule meinen Standardsatz ab: „Nein, ich möchte Briefmarken kaufen, um dann die Briefe in einen Kasten zu werfen.“

„Wie viele Briefmarken denn?“

„Zehn Stück?!“

Der Postbeamte scheint nachzudenken, dann fragt er: „Für welches Bestimmungsland?“

„Deutschland“, erwidere ich hoffnungsvoll. „Oder sagen wir: Europa.“

Der Beamte nickt, jetzt hat er mich: „Europa sagen Sie, aber so einfach ist das nicht, für die Schweiz gibt es andere Tarife.“

„Nein, nicht für die Schweiz. Sagen wir also besser: Europäische Union.“ Ich bleibe stur, ohne Briefmarken gehe ich nicht nach Hause.

„Aha, dann also die für 1,30 Euro. Ich bin nicht sicher, ob wir welche haben. Da muss meine Kollegin erst nachsehen.“

„Ja bitte!“ Ich bestehe darauf, auch wenn ich sehe, dass die Kollegin, die nachsehen soll, nicht begeistert aussieht. Sie hatte es so schön an ihrem Schalter ohne Kunden.

Ich werde gebeten, gegenüber zu warten und öffne gerade die oberen Jackenknöpfe, da kommt die Beauftragte schneller als erwartet wieder und wedelt erschöpft mit den Briefmarken. „Nach diesen zehn Stück hier haben wir nur noch vier.“ Ich spiele mit dem Gedanken, mir die restlichen vier auch noch geben zu lassen, aber dann müsste sie nochmal zurücklaufen und ich will mich nicht unbeliebt machen. Außerdem dauert es nun noch, bis die Prozedur des Buchens und Bezahlens abgearbeitet ist.

Während der Schalterbeamte seines Amtes waltet, inspiziere ich meine Beute und stelle fest, dass es Anlass-Briefmarken sind. „Buon Natale!“, perfekt! Ich nehme es als Wink mit dem Zaunpfahl und tatsächlich gibt es am nächsten Tag in meinem Supermarkt auch schon die Weihnachtskarten von UNICEF, die ich am liebsten kaufe. Da es nicht nur die Postbeamten am Schalter, sondern auch ihre Kollegen im Versand gerne langsam angehen, schreibe ich meine Festtagsgrüße Mitte November. So kann ich (vielleicht) hoffen, dass sie rechtzeitig eintreffen. Bis Weihnachten. 2024.

PS: Ich möchte die Italiener nicht einseitig ins schlechte Licht rücken. Meine deutsche Verwandtschaft meint, es könne auch an ihren Austrägern liegen, dass meine Glückwünsche meist Tage oder Wochen verspätet eintrudeln.

PPS: Ich schicke auch eine Karte ins Vereinigte Königreich. Die gehören ja gar nicht mehr zur Europäischen Union. Hoffentlich passt das Porto trotzdem. Ich konnte am Schalter beim besten Willen nicht riskieren, eine diesbezügliche Diskussion anzufangen, wenn ich zu meinen Briefmarken kommen wollte.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

23 Kommentare zu „Weihnachtspost für Europa

  1. Liebe Anke, auch in der Schweiz ist es schwieriger geworden, Gewünschtes am Postschalter zu bekommen. Ich wollte kürzlich ein kleines Paketchen nach Deutschland schicken. Die Zollerklärung, die früher aus einem grünen, aufs Paket aufzuklebenden Zettelchen bestand, macht man heutzutage am besten zu Hause am PC oder auf dem Handy, um die Zolldeklaration in Form eines Codes dann der Postbeamtin hinstrecken zu können, damit sie den Kleber am Schalter ausdrucken kann. Verzichtet man darauf, füllt die Postbeamtin diese Zolldeklaration unendlich umständlich selbst aus, was zusätzlich Fr. 5.00 kostet. Die sich hinter einem bildende Schlange trägt nicht gerade zur allgemeinen Harmonie bei… Merkwürdig ist es schon, dass bei so viel Digitalität das Leben statt einfacher immer komplizierter wird. Wieviel unnützer Alltagsärger, nicht? Toll geschrieben, liebe Anke. Herzlichst, Elisa

    Gefällt 2 Personen

    1. Danke.
      Und wo holt ihr dann Briefmarken? Für Paketversand gibt es bei euch verschiedene Anbieter und die haben ihre Annahme in Zeitungsläden und ähnlichem, stimmts?
      Ja, bei uns scheint die Zeit stehengeblieben, wer weiß, wie lange sie das noch finanzieren.

      Like

      1. Ja, Tabak und Zeitungsläden u.ä. Marken bestellen wir im Büro über das Internet, die kommen dann per Post. Zu Hause kaufen wir online und drucken sie aus. Weißt du noch, früher hat es sogar die Telefonbücher bei der Post gegeben. Pro Anschluss ein Telefonbuch 😉

        Gefällt 3 Personen

      2. Ich erinnere mich, dass sie hier in Italien immer auf den Briefkästen lagen. Zum Schluss wollte sie keiner mehr haben.
        Mal sehen, ob sie bei uns auch Online- Briefmarkendruck einrichten oder meinen, die braucht ja keiner mehr, von dieser schrulligen Deutschen mal abgesehen. 😂

        Gefällt 2 Personen

  2. Ja, ja, die Post. Ob in Italien, Deutschland oder den USA – sich in Geduld zu üben gehört als Kundin oder Kunde zur Tagesordnung. Dennoch nehme ich den Besuch des Postamts auf mich, ähnlich wie du, denn ab und zu eine Karte oder einen Brief zu schreiben, habe ich mir fest vorgenommen, auch weil ich mich immer sehr freue, wenn ich etwas anderes als E-Mails, WhatsApp oder SMS bekomme. Manche Karten thronen sehr lange auf Regalen und Tischen. Ich schaue drauf und erinnere mich – an die Menschen, die sich die Mühe (ich denke an die Post) gemacht haben, sie mir zu schreiben und denen es wichtig war, an mich zu denken. Ich möchte Karten und Briefe nicht missen. Dein Beitrag war für mich auch ein Ansporn für die Weihnachtspost. Liebe Grüße Roswitha

    Gefällt 1 Person

  3. Diesen Abenteuermut am Postamt würde ich nicht als Landesspezifikum von Italien klassifizieren. Das kenne ich nur zu gut auch aus Österreich, wo es dort, wo es tatsächlich noch ein Postamt gibt, Mittagsschließzeiten von zwei Stunden gibt und alles, was man am Postamt kauft, nachmittags weit vor Amtsschluss erledigt werden muss. Denn da ist dann schon Kassa-Schluss, auch wenn so ein Amt dann sicher noch zwei Stunden geöffnet hält. Vorbei sind lange schon die Zeiten, als das Postamt auch an einem Samstagvormittag offen hielt. Sie erklären den Kunden übrigens diese Reduktionen mit betriebswirtschaftlichen Anpassungen ans Geschäft. Das wird auch sicher nimmer, wenn die Möglichkeiten dazu schwinden.

    Gefällt 1 Person

  4. Schöne Story! 🙂
    Briefmarken werden hier fast ausschließlich nur noch online bestellt. Aber die im Postjargon „nassklebenden“, keine Abziehbilder. Schalterzeiten werden hier auch immer seltener, hängen anscheinend von Zufällen ab und das tue ich mir nach Möglichkeit nicht mehr an. 🙂

    Gefällt 1 Person

    1. Also, Abziehbilder find ich praktischer. Reicht schon, dass man den Umschlag irgendwie nassklebend schließen muss. 😄 Was die Schalteröffnungszeiten betrifft, können wir uns noch nicht beschweren.

      Gefällt 1 Person

      1. Bei Umschlägen finde ich selbstklebend auch schöner. – Aber in Italien gibt es noch „richtige“ Postämter? Oder auch der Getränkehändler, Zeitungsfritze, der sich noch’n Cent nebenbei verdient? – Manchmal finde ich das abenteuerlich, wem man so seine Briefe überlässt… 🙂

        Gefällt 1 Person

Hinterlasse eine Antwort zu rossitext Antwort abbrechen