Ab die Post!

Oder: Wenn es für die Briefwahl aus dem Ausland zeitlich knapp wird

Drei bis vier Millionen Deutsche leben im Ausland. Zur Bundestagswahl 2021 hatten etwa 129.000 davon beantragt, ins Wählerverzeichnis aufgenommen zu werden.* Ich gehörte nicht dazu. 2021 wusste ich nicht, wen ich hätte wählen sollen. Eine allzu bequeme Ausrede, ich weiß. Vier Jahre zuvor, 2017, hatte ich sowohl das Bedürfnis gespürt, meine Stimme abzugeben als auch eine klare Meinung, wem ich mein Vertrauen schenken wollte. Dieses Mal, da die Neuwahlen vorgezogen wurden und Hals über Kopf organisiert werden mussten, sind die Fristen knapp. Das war mir nicht bewusst, als ich Anfang Januar beim Wahlamt meines letzten deutschen Wohnsitzes Leipzig die Aufnahme ins Wählerverzeichnis beantragte. (Nein, die Prozedur ist überhaupt nicht umständlich, liebe Auslandsdeutsche. Beim nächsten Mal: einfach ein Formular ausfüllen, unterschreiben und per E-Mail an das zuständige Wahlamt schicken.) Die Wahlunterlagen sind superpünktlich eingetroffen. Ab dem 3. Februar sollten sie verschickt werden, am 6. Februar hatte ich sie im Kasten. Trotzdem blieben nur zwei Wochen für die Retour. Wie ich es mit Geburtstagspost und Weihnachtskarten mehr als einmal erleben musste, ist der Weg von Mailand über die Alpen nach Deutschland für die italienische Post beschwerlich, es kann auch mal drei Wochen oder länger dauern. Zumal das Wetter im Februar noch winterlich unbeständig ist und der Schneckenpost eine Entschuldigung liefern könnte. Da kommt mein ganz persönlicher Plan B zum Zug! Mit dem spare ich obendrein das Porto. Ich werde meinen Brief am Wochenende in Berlin in den Kasten werfen, dann sollte er es innerhalb einer Woche nach Leipzig schaffen. Im Büro sorgte meine Behauptung, ich würde allein aus diesem Grund nach Berlin fliegen und einen Tag freinehmen, für Erheiterung. Natürlich hatte ich diesen Trip schon länger geplant.

Ich nehme mich zu wichtig? Was sollen meine zwei Kreuzchen schon ausmachen? Das stimmt natürlich. Aber was, wenn alle so denken? Wir sollten uns alle wichtig nehmen, jetzt wie nie zuvor. Schlimm genug, wer in Italien gerade das Sagen hat. Ich verstehe hier weniger von der Politik und ihrem Schmierentheater als in Deutschland, aber allein die Begriffswahl von Frau Meloni stößt mir übel auf. So spricht sie in jedem zweiten Satz von „la nazione“, der Nation, und nicht mehr von „il nostro paese“, unserem Land, wie es vor ihrer Präsidentschaft üblich war. Ich möchte, dass in Deutschland weiter von Bürgerinnen und Bürgern die Rede ist, statt vom Volk.

Bei Deutschlandfunk Kultur befasste sich ein Beitrag im Jahr 2021 mit Pro und Kontra der Einbeziehung der Auslandsdeutschen in die Wahlen, unter anderem hieß es da: „Nur, wer auch die Suppe auslöffelt, darf sie einbrocken.“ Ich finde, es geht uns in Europa alle an, wie es mit Deutschland weitergeht. Es wird uns betreffen. Und wer sich der Heimat noch verbunden fühlt, sich dank der grenzüberschreitend verfügbaren Medien genauso informiert, wie seine in Deutschland lebenden Verwandten, der sollte mitreden dürfen. Und wenn es nur eine Stimme mehr für eine demokratische, die Menschenrechte achtende Partei ist.

Mich bedrückt der Gedanke, dass sich womöglich diesmal mehr Deutsche aus dem Ausland um die Wahlteilnahme bemüht haben, und dann scheitert die Stimmabgabe an der langen Postlaufzeit. Für meine deutsche Freundin im Ort werde ich auch Postbotin spielen und ihren Wahlbrief mitnehmen. Sicher ist sicher. 

*Quelle: Tagesschau

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

27 Kommentare zu „Ab die Post!

      1. Danke! 🙂
        Ich habe übrigens heute meine Briefwahlunterlagen in der Post gehabt und morgen geht mein Stimmzettel via Post zurück!
        es war ein regelrechter Befreiungsschlag, die Kreuze zu setzen! 🙂

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  1. Klasse, dass du wählst, liebe Anke! Und dass du dann auch noch deinen Wahlschein persönlich nach Berlin bringst. 😃
    Und: Ich wage, zu behaupten, dass kein Auslandsdeutscher je die AfD wählen würde. Bei den Weltfrauen (die einzig angenehme Gruppe bei Facebook; deutschsprachige Frauen, die überall auf der Welt verteilt sind und sich gegenseitig solidarisch unterstützen) las ich, dass die Auslandsdeutschen in Frankreich ihre Wahlunterlagen per normaler Post schicken. Es würde rechtzeitig ankommen. Nur per Einschreiben hätte man keine Garantie auf pünktliche Ankunft. Das fand ich interessant, denn die italienische Post ist ja doch bekannt für lange Lieferzeiten.
    Liebe Grüße und eine angenehme, wenn auch kurze Zeit, in Berlin!

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    1. Willst du mich jetzt noch auf FB locken, liebe Eva? 😉 Das klingt nach einer interessanten Gruppe mit sicher vielschichtigen Themen. Danke, und dir auch ein schönes Wochende!

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    2. Ich würde meine Hand nicht für alle Auslandsdeutsche ins Feuer legen wollen.

      Da gibt es ja doch einige komische Gestalten, die v.a. deshalb im Ausland leben, weil ihnen in Deutschland zu viele Ausländer über den Weg laufen. Das ist zwar nicht logisch, aber die erkennen das nicht.

      Gerade unter den Auslandsdeutschen sind mir schon etliche begegnet, die ein um mindestens eine Generation hinterherhinkendes Deutschlandbild haben. Wenn sie dann einmal nach Deutschland auf Besuch kommen und in der Straßenbahn Arabisch hören, dann glauben sie die Märchen von der Islamisierung und dem Kalifat.

      Ich glaube sogar, dass Facebook und andere solche Medien dazu beitragen. Weil die Leute, wenn sie in Paraguay oder Australien sind, keine deutsche Zeitung mehr lesen und nicht mehr mit den Nachbarn plaudern, sondern sich nur mehr übers Interweb über die Heimat informieren, geraten sie leicht in die Fänge von radikalen Gruppen auf Facebook.

      Es ist noch unlogischer, aber ich kenne sogar Migranten in Deutschland, die die AfD wählen. Und zwar oft explizit mit dem Hinweis, dass „zu viele Ausländer“ kommen. Damit meinen sie natürlich immer Leute aus anderen Ländern als sie selbst. Oder jene mit geringeren Einkommen. Oder einfach die, die später kommen.

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  2. Sein Wahlrecht auszuüben, ist immens wichtig. Egal, wo man lebt. Wer wählen darf, soll wählen. Das schreibe ich, am Abend eines Tages, der mit sich brachte, dass sich Österreich den „Volkskanzler“ und eine Zukunft nach Muster erspart, wie gerade Amerika niederge-trump-elt wird.

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      1. Gefällt mir nicht … obwohl ich das gerade geklickt habe. Aber am BER ist man ja Problem Solving gewohnt, nehme ich an.

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      2. Danke dir! Der Flieger hat Verspätung … Aber ich gebe nicht auf und warte brav. Hab ja wichtigen Brief im Gepäck. 😀

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  3. Großes Lob für dein Engagement! Gut, dass es Leute gibt, die sich extra in Wählerverzeichnisse eintragen lassen, um ihre Stimme den nicht-extremen Parteien zu geben.
    Ich verstehe auch das Drittel der Wahlberechtigten im Inland nicht, die nicht wählen gehen… gerade in diesen Zeiten muss doch jeder ein politisches Statement abgeben!

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    1. Mal sehen, wie hoch die Beteiligung wird. Die Frage ist ja auch, wenn viele der Nichtwähler diesmal gehen würden, für wen die dann stimmen? Protest, also extrem? Die Schätzungen waren ja sehr stabil, ob es da Übertaschungen geben wird? In einer Woche wissen wir es.

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  4. Es ist kurz vor der Wahl und ich muss sagen, dass ich dieses Mal aufgeregt bin – im negativen Sinn. Ich hoffe, dass sehr viele Menschen wählen gehen und die Stimmung, dass es alles nichts bringt nicht nicht überhand nimmt. Ich habe meine Briefwahlunterlagen auch schon persönlich abgegeben, weil ich Angst hatte, dass die Post das nicht hinbekommt. Gut, dass du wählst!!!

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    1. Liebe Roswitha, es geht mir wie dir, das erste Mal ist es anders. Aufregend, aber nicht im positiven Sinne. Ich möchte trotzdem optimistisch bleiben und hoffe insgeheim, dass das Endergebnis sich doch noch wieder etwas mehr zugunsten der demokratischen Parteien verschiebt. Liebe Grüße!

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