Frauensachen

Ottimista (optimistisch)? Na klar! Curiosa (neugierig)? Und wie! Dinamica (dynamisch)? So was von! Diese Werbung scheint wie für mich gemacht. Dazu muss ich sagen, dass ich keine Freundin von Frauenzeitschriften bin. Ob es daran liegt, dass ich damals in Hamburg ein Praktikum machen durfte, sie mich am Ende aber nicht anflehten, direkt bei ihnen einzusteigen? Ach was, verletzte Eitelkeit ist mir zwar nicht fremd, aber ich kann gut damit umgehen. In Deutschland las ich hin und wieder eine Frauenzeitschrift. Solche, die damals als modern galten, so wie die AMICA, der ich meine Praktikumserfahrung und eine Freundin fürs Leben in Wien verdanke. In Italien fing ich nie damit an, ob nun aus anfänglicher Mühe in sprachlicher Hinsicht oder weil mir die Klatsch-Hefte, die beim Friseur auslagen und in denen ich hin und wieder blätterte, allen guten Glauben raubten. Dann gab und gibt es auch noch die hochpreisigen, edlen Magazine, aber da steckt bekanntlich mehr Werbung drin als spannende Themen und ich zähle mich nicht zur Zielgruppe für darin gezeigte Mode und In-Locations.

„Donna Moderna“* (Die moderne Frau) ordnete ich dem Titel nach in die Schublade altbekannter Hausfrauenblätter. Er klingt in meinen Ohren nach Rezepten und Diäten und schmalzigen Kurzgeschichten. Ich wäre vermutlich nie darauf gekommen, mir ein Heft zu kaufen. Und jetzt habe ich es doch getan. Schuld ist mein Morgenradio. Dort spricht jeden Donnerstag genau in dem Moment, in dem ich unsere Jüngste vor der Schule absetze, die Chefredakteurin der Zeitschrift zu einem Thema der aktuellen Ausgabe. Und wisst ihr was? Mir gefällt, was sie zu sagen hat. Es kam vor, dass ich es mir mit meiner Tochter verscherzte, weil ich dem Interview folgen wollte und sie nicht quasseln sollte.

Mein Interesse war geweckt, jeden Donnerstag ein bisschen mehr. Gekauft habe ich das Heft bei unserem Signor Gentile. Als Schreibwarenhändler führt er auch Zeitschriften. Mit ihm wechsle ich immer ein paar Worte, und so erklärte oder entschuldigte ich gar meinen Kauf damit, dass ich nur mal reinschauen möchte, weil ich die Chefredakteurin im Radio gehört hätte. „Ich lese sonst nie diese Art von Zeitschriften.“ Er lächelte und antwortete mir, dass es gut sei, aufgeschlossen und neugierig zu sein und die Dinge mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Und dann sagte er diesen Satz, den ich mir über den Schreibtisch hängen möchte:

„La curiosità diventa cultura.“ (Neugier wird zur Kultur).

Ein verregnetes Wochenende kam gerade recht, ohne weitere Rechtfertigungen auf dem Sofa zu sitzen und eine Zeitschrift zu lesen. Und tatsächlich: Ich blätterte nicht nur, ich las. Bis zur Mitte des Heftes fast jeden Artikel. Erst dann kamen Modestrecke, Kosmetik, Inneneinrichtung und ja, auch drei Rezepte. Ich überflog sogar die Zutaten mit Interesse, denn die Doppelseite ging mit der Überschrift „In der Küche sind die 80-er Jahre wieder angesagt“ glatt als Kulturthema durch. 

In die Ausgabe vom 11. Mai fielen sowohl der Muttertag als auch der Internationale Tag der Familie, was ihre Inhalte prägt. Unter dem Titel „Bambini in lista di attesa“ (Kinder auf der Warteliste) beschreibt ein Text die prekäre Situation bei inländischen Adoptionen. Betroffene erzählen vom nicht enden wollenden Warten. Da führt unverständliche Bürokratie zu Frustration bei den potentiellen Eltern, und noch schlimmer, zu unwiederbringlich verlorener Zeit für die Kinder.

Ein brisantes Thema in der aktuellen Diskussion ist die Verweigerung der standesamtlichen Anerkennung von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Der Beitrag „Gli invisibili“ (Die Unsichtbaren) nimmt sich dieser unerträglichen Situation an. Italien ist neben Griechenland das einzige Land in Europa ohne Gesetz zum Schutz von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Trotzdem gab es Kommunen, wie Mailand und Bologna, in denen auch Kinder mit ausländischen Geburtsurkunden standesamtlich registriert wurden. Das soll nun nicht mehr möglich sein, ordnete der italienische Innenmister auf das geltende Recht pochend an. Was das für die Kinder und die in ihrer Elternrolle nicht anerkannten Partner bedeutet, erklärt der Beitrag eindringlich.

Vom 18. bis 22. Mai fand in Turin die internationale Buchmesse „Il Salone del libro“ statt. In „Le signore dei libri” (Die Herrinnen der Bücher) sprechen Frauen des Literaturbetriebs, die Lektorinnen und Verlagschefinnen. Sie waren allesamt Mädchen, die immer lasen, und haben ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Was sie auch heute vereint, ist der Glaube an die Kraft der Literatur, die Rolle der Kultur in unserer Gesellschaft und deren Unverzichtbarkeit für eine Welt, in der etwas zum Besseren gewendet werden soll. 

Weiter geht es im Heft um parlamentarische Mitbestimmung Jugendlicher mit dem Projekt „Teen Voice“ der Kommune Mailand. Um die Rechte von Krebspatienten, die die Krankheit besiegt haben, aber unter enormen Nachteilen, ja Diskriminierung in vielen Lebensbereichen leiden. Und zu guter Letzt ein Artikel, bei dem ich vermute, dass er speziell für mich aufgenommenen worden ist. Er berichtet von der Tochter Romy Schneiders, Sarah Biasini, und ihrem der Mutter gewidmeten Buch „La beuté du ciel“ (deutsch: „Die Schönheit des Himmels“), das in Kürze unter dem Titel „La bellezza del cielo“ auch in Italien erscheinen wird.

Mein Fazit nach der Lektüre: Frauensachen? Ja, aber die von modernen Frauen, die mit beiden Beinen, mit Herz und Hirn voll im Leben stehen, statt nur am Herd oder auf dem Laufsteg der Eitelkeiten. Mich fragt ja keiner, aber falls doch: Daumen nach oben für „Donna Moderna“!

*Ihr werdet mir glauben, dass mich die italienische Zeitschrift nicht dafür bezahlt und noch nicht einmal darum gebeten hat, auf meinem Blog, den in erster Linie Deutsche lesen, Werbung für sie zu machen. Trotzdem scheint es ja so üblich, diesen Vermerk anzubringen. Also: Seht es ruhig als Werbung an, aber sie ist weder verlangt noch vergütet.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

20 Kommentare zu „Frauensachen

  1. Das hört sich nach Themen an, über die ich als Mann auch gerne lesen würde.
    Aber ich kann natürlich kein Heft kaufen, auf dem vorne Cellulitis und Herr Hoult als Sex-Symbol angepriesen werden.

    Was für ein Glück, dass du über die Radiokolumne gestolpert bist.
    Ich finde viele meiner Lektüren über kurze Rezensionen im Radio oder über Interviews mit den Autoren oder Autorinnen.

    Gefällt 2 Personen

    1. 😂 Wenn es nach mir ginge, sollte es keine Frauen- und Männerzeitschriften mehr geben, sondern nur Hefte für einzelne Interessensgebiete. Also: Schlemmerrezepte, Diäten (beides zusammen ist doch die echte Verarsche, aber bei dem Typ Frauenzeitschrift, die ich links liegen lasse, eine klassische Kombi auf dem Cover), Schönheit und Kosmetik, Kultur und Literatur, Fitness, Garten, Technik, Gesellschaft usw. In den Gemischtwarenheften gibt es doch immer Seiten, die Mann oder Frau überspringt und das ist allein aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nicht vertretbar. Apropos: Die Donna Moderna ist auf recyceltem Papier gedruckt, kein Problem, funktioniert auch bei der Modestrecke!

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    1. Was gerade ins Leben passt, so empfinde ich es. Als unsere Kinder noch klein waren, habe ich regelmäßig die Zeitschrift „Familie und Co.“ sehr gerne gelesen. In meiner Schulzeit hat mir mein Vater den „Kicker“ aus dem Westen mitgebracht. Auch die Zeitschrift „Fotomagazin“ war eine Zeit lang mein Begleiter. Es ist doch auch schön, eine Zeitschrift in der Hand zu halten, die Druckfarbe zu riechen und Hochglanzfotos zu bewundern. Eine wohltuende Unterbrechung des Alltags. Frohe Pfingsten, liebe Anke, nach Italien 🌸

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      1. Das stimmt natürlich, gerade wenn man spezielle Hobbies hat. Aber dass dein Vater dir! den Kicker mitgebracht hat … war eine gute Ausrede für ihn!, oder? 😉 Liebe Grüße an dich und viel Freude beim nächsten Zeitschriftenblättern.🙋‍♀️

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      2. Meine Schwester bekam immer einen Edgar Wallace und ich den Kicker 🤷‍♀️. Ich habe auch mit den Jungs meiner Klasse Fußballbilder gekaupelt (dolles Wort 😄). Fußballfan eben.
        Mein Vater hat sich mit der
        s/w Zeitung Garten und Kleintierzucht begnügt.

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