Kurz vor Weihnachten begebe ich mich regelmäßig auf die Suche nach Kleinigkeiten, die ich meinen Lieben, die schon alles haben, noch mit unter den Baum packen kann. Als Alternative zu den obligatorischen Socken dachte ich diesmal an Strickwerk für die Hände. Das tragen wir nämlich kaum noch ‒ sei es, weil es bei uns nie so richtig kalt ist, oder weil es den jungen Leuten gemäß nicht zum Outfit passt. Aber man weiß im Dezember noch nicht, wie tief die Temperaturen im Januar und Februar sinken. Die dicken Fäustlinge aus Kinderzeiten dürfte ich ihnen nicht anbieten, wenn es richtig kalt würde. Deshalb war es für mich beschlossene Sache, auf Nummer Sicher zu gehen und neue, modischere Teile anzuschaffen.
Als ich neulich mit meiner Großen über den Vareser Weihnachtsmarkt (eine Handvoll Buden mit Lebensmitteln und ein paar Kleinigkeiten, nicht, was ihr euch vermutlich ausmalt) schlenderte, sagte ich mir: Pfeif auf die Überraschung! Lass sie lieber selbst aussuchen. Also schob ich sie an den Stand, wo es Hüte, Socken, Schals und Tücher gab. Und einen Drehständer mit diesen Dingern, die ich ihr aufschwatzen wollte. Guanti, so heißen sie in Italienisch. Das klingt schön melodisch, wenn auch nicht ganz so vornehm wie Gloves im Englischen. Ich sprach deutsch mit meiner Tochter, also bat ich sie: „Such dir doch bitte ein paar Handschuhe aus, die zu deinen Jacken passen.“ Entgegen meiner Befürchtung, sie würde den Vorschlag mit einer abschätzigen Bemerkung in den Wind schlagen, lachte sie herzhaft auf. „Mami, ich weiß ja, dass Guanti auf Deutsch Handschuhe heißen. Aber ist das nicht saukomisch? Schuhe für die Hände!“ So hatte ich das noch gar nicht gesehen und gab zurück: „Du hast recht, kuschelweich und bequem klingt das Wort nicht gerade.“ Der Verkäufer schaute uns derweil irritiert an und dachte wohl, wir würden uns über seine Ware lustig machen. Als wir am Ende drei Paar Guanti mitnahmen, lächelte auch er. Ich schwang zufrieden den Einkaufsbeutel und war froh, dass die Handschuhe keine Schuhe waren, sondern leicht nach Hause und später bequem an den Händen zu tragen wären.
Eine Frage hätte ich da noch: Diese minimalistische Variante ohne Vorderteil, wo die Finger rausgucken, sind das dann Handsandalen? Was mich gleich auf eine Idee bringt: Eine Sommerversion der Handbekleidung wäre doch mal schick und könnte sogar einen Sinn haben. Wie Wolle vor der Kälte, würde ein Hauch von Seide die Haut vor übermäßiger Sonne schützen. Schließlich sind unsere Hände den Strahlen ständig ausgesetzt, jede Stunde, die wir unter freiem Himmel verbringen. Wer denkt schon im Alltag an Sonnencreme für den Handrücken? Auch beim Eincremen der Arme auf dem Liegestuhl höre ich am Handgelenk auf. Anschließend wasche ich die Hände, wenn möglich, sogar noch gründlich ab, damit sie nicht kleben und ich mein Buch anfassen kann. Da sollte mal ein findiger Erfinder drüber nachdenken, findet ihr nicht?
Titelfoto: Symbolbild von Pexels.
Trug nicht Karl Lagerfeld immer solche Hand-Überzieher, wo vorne alles rausguckt? Oder hätte er eher gesagt: „Wer solche Teile als Überzieher oder Handsandalen bezeichnet, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“?
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Er trug sie. In seiner späten Edel-Punk-Zeit aus schwarzem Leder mit Nieten verziert. Je öller, je döller😂…
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Wie nannte er sie denn? Gloves, vermutlich. Glamour-Gloves. 😉
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Ich glaube, nach der Aussage von Deiner Tochter würde Friedrich Schiller ins Grübeln kommen und die Kunigunde etwas anderes hinwerfen lassen…
Als die drahtlose Technik bei den Hörgeräten noch nicht fortgeschritten war, brauchten wir für die Hörverstärkung mittels FM-Übertragung sogenannte „Audioschuhe“. Das sind kleine Gegenstände, die wir an die Hörsysteme an- und wieder abstecken konnten. Schon wieder die verflixten Schuhe!
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Schiller hätte auch ein anmutigeres Wort erfinden können, meine ich.😉
Wenn ich irgendwo Audioschuhe lese, würde ich denken, es sei ein Schreibfehler und sollte Autoschuhe heißen. 😂
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Die zarte Sommerversion trugen doch früher die vornehmen Damen, aus Spitze oder Lace-Strick und gaaanz dünner Baumwolle. Das ist überhaupt mal eine Idee. Die könnte man doch glatt mal wieder einführen. Und zu den fingerkuppenfreien Modellen könnte man ja analog zu den zehenfreien Pumps „Peepfingers“ sagen😉
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Ja genau, an Peepshoes oder so hatte ich auch gedacht. Klang aber so nach den gewissen Shows für bedürftige Herren im Hafenviertel. 😉
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🤣
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Fäustlinge müssten eigentlich “Handsocken“ (calzini per mani) heißen, die sind aber wieder was anderes: sowas wie Wadenwärmer für die Unterarme.
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Na klar, wer auch im Winter kurzärmelig gehen will, streift sich die über. Praktisch!
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La parola Handschuhe è sempre sembrata comica anche a me. 😉
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Hai fatto caso anche tu, brava! Qua dopo dice Barbara, che gli italiani invece dicono “Finger der Füβe” (dita dei piedi), questo ci fa ridere a noi tedeschi, che abbiamo una parola specifica: Zehen.
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Auch die Franzosen sagen „Finger der Füße“: les doigts de pied.
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È vero. Anche in inglese esiste la parola ‚toes‘.
In italiano tutte le dita dei piedi hanno un nome, ma non so se esista un nome collettivo per indicarle tutte. 😄
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Liebe Anke, du wirst es nicht glauben, aber heute ist das erste Mal, dass ich mir Gedanken über das Wort „Handschuhe“ gemacht habe. Ich würde so weit gehen zu sagen, dass mir vorher nie aufgefallen ist, dass dort auch das Wort „Schuhe“ drinsteckt. Als Muttersprachler nimmt man das vielleicht einfach so hin. 😉
Schön finde ich, dass ihr stressfrei und ganz nebenbei ein paar hübsche Weihnachtsgeschenke gefunden habt.
Herzliche Grüße! Sophie
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Das ging mir genauso, man spricht, ohne einen Gedanken an die Wortzusammensetzung zu verschwenden. Ich sollte künftig in beiden Sprachen mal drauf achten, da gibt es bestimmt noch viele lustige Begriffe.
Ja, unser Bummel durch Varese an einem Sonntagvormittag war sehr entspannt, Samstagnachmittag sollte man sich das vor Weihnachten lieber nicht antun. Danke und liebe Grüße nach Berlin!
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Ich habe ein bisschen zu diesem – zugegebenermaßen merkwürdigen – Wort recherchiert…Also:
Der Hintergrund des Wortes ist rein sprachwissenschaftlich: Das Wort Schuh stammt vom althochdeutschen „scuoh“, das „bedecken, umhüllen“ bedeutet. Und Letzteres trifft ja auch auf Handschuhe zu. Vor weit über 1000 Jahren nannte man das besagte Kleidungsstück in unseren Breiten bereits „hantscuoh“.
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Vielen Dank für diesen interessanten Hintergrund, lieber Herr zeitgeiststories. Man könnte also vielleicht neudeutsch Handy-, nein, Hand-Cover sagen. 😉
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Sehr witzig!! Wir mit unseren Handschuhen und die Italiener dafür, die zu den Zehen „Finger des Fußes“ sagen. 😀 Wozu neue Wörter erfinden? 🙂
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Hallo Barbara, wie schön, hier nach langer Zeit wieder von dir zu lesen. Ich vermisse deine unterhaltsamen und lehrreichen Sprachkolumnen sehr. Vielen Dank für diese lustige Ergänzung!
Liebe Grüße nach Wien!
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Vielen lieben Dank, Anke! Ich freue mich sehr, wieder Zeit zum Lesen (und ganz bald Schreiben) zu haben, ich habe mich endlich von einer erdrückenden beruflichen Verpflichtung befreit. Un abbraccio, a prestissimo :-).
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Solange das Buch keinen Sonnenbrand bekommt ist alles ok.
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So lange Daumen und Gusche frei bleiben für Touch ID und Face ID mache ich alles mit
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Das ist doch mal ne konstruktive Einstellung. 😀
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Handsandalen ist ein tolles Wort, das sollte man für diese Teilchen benutzen. 😉
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Nicht wahr?! Ich verstehe gar nicht, wie man die im Winter tragen kann. Es sind doch gerade die Finger, die frieren. Zumindest meine. 😀
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Im Herbst trage ich die auch, aber wenn es zu kalt ist, brauche ich richtige Handschuhe.
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