Tomatensuppe Toskana

Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. So hieß es früher bei Oma und Opa, wenn wir mit neumodischen Gerichten um die Ecke kamen, womöglich noch etwas Ausländischem. Wir Kosmopoliten von heute gehen gerne ausländisch essen und machen fast jeden Hype mit. Und doch beobachte ich immer wieder: So sehr mich eine neue, fremdländische Küche zunächst reizt, verliere ich schnell die Lust daran. Manches widert mich irgendwann regelrecht an. So ging es mir in historischer Reihenfolge mit chinesischen, griechischen, mexikanischen und japanischen Gerichten. Zuletzt diese (hawaiianischen) Poké Bowls. Hm, lecker, gute Idee. Mittlerweile: Ach nö, nicht schon wieder. Neulich grübelte ich über dieses Phänomen nach und stellte fest, dass ich deutsches Essen immer wieder, tagein tagaus essen könnte, so wie ich es in der Kindheit und Jugend tat. Mittags Kartoffeln mit Soße, mal Fisch, mal Fleisch dabei, Gemüseeintopf oder Spiegeleier mit Spinat, sowas eben. Oder auch mal Süßes wie Eierkuchen oder Milchreis. Abends Schnitte. Also Abendbrot. Mit Wurst und Käse, ein bisschen Salat oder rohes Gemüse dazu. Fertig. Auch die italienische Küche hat, den persönlichen Umständen geschuldet, in meiner Standardernährung Einzug gehalten. Italienisch geht immer. Pizza muss nicht jede Woche sein, aber anwidern würde sie mich nicht. Pasta gibt es ohnehin in hundert Varianten und Zubereitungen, jetzt im Sommer gerne wieder als Pasta Fredda, also Nudelsalat. Unsere Geschmacksnerven müssen auf wundersame Weise von der Heimat beeinflusst sein. Oder sind es die Gene? Reine Gewohnheit ist es nicht, sonst hätte ich mich auch gut an Sushi oder Tacos gewöhnen können, als die mich bei ihrer Entdeckung so sehr begeisterten.

Wenn wir zuhause essen, kochen wir einheimisch. Also italienisch und manchmal deutsch. Ich erwähnte hier bereits, dass bei uns der Gatte die Chefkochmütze aufhat und ich die Contornista, die Beilagenköchin spiele. Falls ich doch mal für das Hauptgericht verantwortlich zeichne, dann mache ich es mir gerne einfach. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich weiß, dass der Gatte sich richtig Mühe gibt, neue Rezepte ausprobiert und stundenlang Video-Tutorials ansieht, wie man das Fleisch am raffiniertesten hinbekommt. Innen zart, außen knusprig. Ich improvisiere lieber und habe es gern, wenn es schnell geht. Meine Überzeugung: Erst wenn trotz geringen Aufwandes nicht nur Essbares, sondern sogar Gutes entsteht, stellt sich die wahre Zufriedenheit ein. Bei einem meiner Erfolgsgerichte halte ich mich jedoch streng an die Zubereitungsanweisung. Ich gebe für uns vier einen Liter Wasser in den Topf, koche es auf und mische dann zügig und geschickt mit dem Schneebesen den Inhalt von ‒ ich traue es mich kaum zu sagen ‒ zwei Tüten eines Pulvers hinein. Wenn alles gut verrührt ist, muss man das Ganze nur noch fünf Minuten köcheln lassen. Dabei kommt es darauf an, die Flamme so weit runterzudrehen, dass sie gerade noch brennt. Gar nicht so einfach!

Gerade erst stand ich wieder in dieser meiner Mission am Herd. Nachdem es mittags eine vom Chefkoch nach allen Regeln der Kunst bereitete Pasta alle Vongole gegeben hatte, von der wir alle noch pappsatt waren, zauberte ich mein leichtes Spezialgericht, das immer gut ankommt. Meine Familie weiß sehr wohl, was ich da anrühre. Das tut dem Geschmackserlebnis keinen Abbruch, auch wenn sich der eine oder die andere gelegentlich zu einer witzelnden Bemerkung hinreißen lässt. Am Ende sind doch wieder alle froh, wenn uns Verwandte aus Deutschland Nachschub mitbringen. Von unserer geliebten Tütensuppe. Nicht irgendwelche, nur die, die im Titel steht und deren Namen ich hier nicht noch einmal wiederhole, sonst käme womöglich noch einer auf den Gedanken, es würde sich um bezahlte Werbung handeln. (Dass so ein Süppchen ausgerechnet in Italien Furore macht, ist natürlich ein werbetechnischer Leckerbissen, vielleicht sollte ich doch mal mit dem Hersteller Kontakt aufnehmen?) Geschmacklich übertrifft die Tomatensuppe aus der Tüte jedenfalls um Längen die teuren Biotomaten aus dem Kühlregal unseres Supermarktes. Auf dem Balkon wächst zwar auch wieder eine Pflanze, aber deren Früchte hatten beim andauernden Regen bislang für das Prädikat „Sonnengereift“ zu wenig Licht. Wir werden froh sein, wenn überhaupt für jeden eine Tomate reif wird. Da hält sich unsere Kleine doch lieber an den Suppentopf, dessen letzte Reste sie mit der großen Kelle auskratzt und versucht, diese im Gesicht an die passende Stelle, nämlich in den Mund zu befördern. Wir lachen über ihren Tomatenvollbart, und alle sind einen Moment lang glücklich vereint. Was will eine Mutter mehr? Gekrönt wird das als italienisch bezeichnete Gericht bei uns übrigens mit einem Löffel Creme Fraiche aus Bayern, die es hier bei uns zu kaufen gibt. Wer es vornehm mag, der nennt solche Kombination von verschiedenen regionalen Esskulturen heutzutage Fusionsküche. Wie auch immer: Hoch lebe die deutsch-italienische Tischfreundschaft! Und die schnelle Küche.

Titelfoto: Symbolbild von Pexels.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

28 Kommentare zu „Tomatensuppe Toskana

  1. In einem Lesetext zum Thema Ernährung bei Kindern (nicht nur meine Schüler:innen lernen was dabei 😅) wurde gesagt, dass die Gene und das, was unsere Mütter schwanger gegessen haben, unseren Geschmack beeinflussen :).

    Lustigerweise ist bei mir zu Hause das italienische Essen seit Sizilien auch nicht mehr wegzudenken und im Urlaub, der nicht in Italien stattfindet, vermisse ich die Pasta!

    Ganz liebe Grüße aus Wien! 🌞

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    1. Zum Glück habt ihr in Wien gute italienische Lokale. Ich erinnere mich, dass ich in der Nähe des Stephansdoms zum ersten Mal Profiterole gegessen habe, in einer Gelateria, als es zum Eisessen wohl zu kalt war. 😉
      Danke und einen guten Start in die Woche, liebe Barbara, mit oder ohne Pasta!😊

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  2. Als mein Mann mich einmal zum Bereitschaftsarzt begleitete, bekam er von ihm die Aufgabe, seiner Frau, die ziemlich geschwächt war, eine kräftige Brühe zuzubereiten. Völlig überfordert und leicht panisch hielt mein Mann am nächsten Supermarkt und kaufte zig Tütensuppen. Ein wenig hatte ich mich schon gewundert, dass er sie überhaupt gefunden hatte. Er geht sonst nie einkaufen. Er schaffte es auch, sie zuzubereiten. Rindfleischsuppe mit Nudeln. Es war einfach köstlich! Die von dir erwähnte Tomatensuppe kann ich auch nur empfehlen.

    Guten Appetit und einen schönen Abend, liebe Anke, wünscht dir Bettina

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    1. Der gute Wille zählt. So konnte er dir definitiv schneller helfen, als wenn er eine Brühe selbst gekocht hätte. 😅
      Danke und hab einen guten Wochenstart, liebe Bettina!

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  3. Bei mir ist es Schinkennudeln mit Tomatensoße. Jetzt ohne Schinken, weil vegetarisch. Aber immer noch mit Semmelbröseln und Ei kroß gebraten und Tomatensoße selbst gemacht. Himmlisch, soulfood 😊🍀

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    1. Oh, da steht mittlerweile drauf, es seien nur natürliche Zutaten, keine bösen Aromen oder Geschmacksverstärker drin. Pure Magie also.😉
      Ich sag mal, hin und wieder kann man das machen. Diese Tütensuppe ist bei uns keine Regel, sondern ein kulinarisches Highlight 😅 alle paar Monate mal.

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  4. Ich bin von Denen weg,
    ich kann inzwischen tatsächlich Soßen ohne die Tüte kochen.
    Konnte ich bis vor ein paar Jahren definitiv nicht.
    Aber ich gehe inzwischen an diesem Regal wo diese Soßen und Suppen stehen konsequent vorbei und sehe es nicht mal mehr wenn im Korb runtergesetze liegen.
    Dank eines uralten Kochbuchs welches ich in die Hand bekam geht es.
    Und ich dachte nicht dass es so leicht wäre.😉
    Dir weiterhin viel Spaß beim schnell kochen.🧑‍🍳

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    1. Sehr gut! Ja, Omas alte Rezepte sind immer noch die besten, was Soßen und solche Sachen angeht. Die kaufe ich auch nicht fertig, muss aber sagen, dass mein Mann den Dreh da noch nicht so raushat, im Gegensatz zum Fleisch. Aber in Italien geht es auch ohne Soße, oder es langt ein Klecks, das nennt man dann „Reduktion“.
      Danke dir! Mein Mann nennt mich auch die Aufwärmerin.😅

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  5. So ab und an mag ich diese Tütentomatensuppe auch sehr gern. 🙂 Deutsche Tomaten können da eher selten mithalten. Sonst kann Ernährung aber nichts mit den Genen und auch nur wenig mit Gewohnheit zu tun haben. Ich war ein mäkeliges Kind und nie ein Freund der deutschen Küche. Italienisch geht wirklich immer. Indisch, Japanisch & Co. begeistern mich schon lange ohne Überdruss. Es gibt nur ein deutsches Gericht aus meiner Kindheit, dass ich ein oder zweimal im Jahr koche und das ist eins von den ganz einfachen und schnellen.

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    1. Interessant! Bist du dir sicher, dass du keine ausländischen Vorfahren hattest? 😉
      Indisch und Japanisch lässt du aber kochen? Das ist doch sehr kompliziert und man braucht so viele verschiedene Zutaten. Keine schnelle Küche, nichts für mich. 😅

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      1. Na ja, höchstens tschechische. 😉 Indisch und Japanisch kochen wir auch zu Hause. Die vielen Zutaten haben wir im Haus, mein Mann hat sich im Laufe der Jahre zu einem tollen Koch entwickelt, nach Japanisch hat man allerdings furchtbar viel Abwasch … 😉

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    1. Genau, reinditschen, oder am Schluss den Teller mit einem Brotkanten auswischen. Letzteres nennt man bei uns „Fare la scarpetta“, den kleinen Schuh machen. Den macht man auch mit Pastasoβe, wenn die gut ist.

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  6. Schön, dass du die gute alte Brotzeit, wie wir das in Bayern nennen, mal in den Fokus gerückt hast. Es geht nichts über eine Scheibe frisches Roggenbrot vom Bäcker mit ein bisschen Kräutersalz drauf! Liebe Grüße von der Insel der kulinarisch reich gedeckten Tische!

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  7. Gegenüber Speisen aus verschiedenen Ländern bin ich total aufgeschlossen, aber erst beim Lesen von Spinat und Spiegeleiern lief mir das Wasser im Mund zusammen.
    Es MUSS an der genetischen Herkunft liegen.

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