Oder: Abschreiben erwünscht!
Es liegt gerade schwer im Trend, auch literarisch, in vergangenen Jahrzehnten nach Parallelen zum Leben hier und jetzt zu suchen. Wie hat uns die eigene Kindheit und Jugend, das Leben unserer Eltern geprägt, was haben Erfahrungen von damals mit unserem Verhalten von heute zu tun? Es ist die Suche nach der eigenen Identität, die uns umtreibt.
Vielleicht befinde ich mich auch im Sog eines Schreibseminars, von dem ich gerade zurück bin. Dort ging es um autobiografisches Schreiben, während ich, am Thema vorbei, mit meinem Textentwurf in der Gegenwart herumruderte, verloren auf hoher See. Ich wollte von Dingen schreiben, für die es keine Worte gibt. Für die ich noch keine Worte habe, nicht haben kann, weil das Geschehen noch andauert. Da liegt es nahe, weiter auszuholen und in die Vergangenheit abzutauchen. Ich weiß noch nicht, wo das hinführt, und ob es für mein Schreiben eine Bedeutung haben wird. Ich weiß aber, dass ich die Erfahrungen meiner Eltern an nachfolgende Generationen weitergeben möchte. Beide Jahrgang 1932, wuchs mein Vater im Schlesischen Landeshut und nach dem Krieg in Dresden, meine Mutter in Berlin auf. Mein Vater hat wenige Jahre vor seinem Tod handschriftliche Notizen gemacht und sie mir überlassen. Kein Tagebuch, sondern eine Melange aus geschichtlichen Ereignissen, deren Einordnung, und privaten Erlebnissen. Was ihm und meiner Mutter am Ende ihres Lebens im Rückblick erzählenswert erschien, steht nun auf wenigen Seiten kariertem Papier. Wie Puzzleteile hebe ich die Sätze auf, breite sie vor mir aus, ohne sie bereits ordnen zu wollen. Ich schreibe ab. Wort für Wort, ohne eigene Formulierungen einzufügen oder gar Zusammenhänge herzustellen. Nein, es geht mir in dieser Phase um ein wortgenaues Übertragen ins Digitale, damit die zum Ende hin immer schwerer lesbaren Zeilen für unsere Familie erhalten bleiben. Ich weiß, mein Vater hat das gewollt, es ist in seinem Sinne. Vielleicht hatte er auch gedacht, ich würde etwas davon in einem Text, gar einem Buch verarbeiten. Das kann ich ihm noch nicht versprechen. Gerade bin ich bei Vierfruchtmarmelade ohne Früchte, die lockt keinen hinterm Ofen hervor. Es sei denn, ich würde das Leben in der DDR im Vergleich zum Westen mit dem bescheidenen Brotaufstrich auf einen Punkt bringen wollen. Das wäre eine Provokation, vielleicht braucht es die heutzutage für einen potenziellen Bestseller.
Titelfoto: Symbolbild von Pexels.
Oh, das hört sich spannend an, liebe Anke. Hast du bereits einen Plan, wie du weiter vorgehen willst? Also, ob zum Beispiel du im Nachgang Kommentare dazu schreibst, wie das Verschriftlichte bei dir ankommt? Oder ob du dich in den Worten widerfindest? Mit ähnlichen Gedanken, jedoch auf die heutige Zeit bezogen?
Ich würde gerne erfahren, was du planst. 🙂
Liebe Grüße Bea
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Liebe Bea, ich plane gar nicht. Ich lasse die Erinnerungen wirken und ja, ich finde Parallelen und verstehe zum Beispiel, warum ich so empfindlich reagiere, wenn in der Familie mit Lebensmitteln unachtsam umgegangen wird, ich etwas wegwerfen muss. Vati wollte als Junge gerne Koch werden und las am liebsten Rezeptbücher, während er als Flüchtling im zerbombten Dresden Kohldampf schob. Wir lachten oft, wenn er noch die letzten Krümel vom Teller aβ.
Ich „plane“, oder sagen wir, spüre den Wunsch, irgendwann etwas zu schreiben, ein heutiges Geschehen betreffend, da wird unweigerlich das ein oder andere aus der Vergangenheit reinspielen. Mal sehen …
Liebe Grüße zum Wochenende und danke für dein Interesse, liebe Bea!
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Oh ja, liebe Anke – das interessiert mich sehr. Gerade, weil es ja spannend ist, wie man selber jetzt und heute mit diesen GedankenAnstößen umgeht ( in dem Fall du) und eventuell weiter verfährt! 🙂
Danke für die Grüße zum Wochenende, die ich gerne zurück gebe! 🙂
LG Bea
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„…Ich wollte von Dingen schreiben, für die es keine Worte gibt…“ Das ist wunderbar gesagt. Diese noch ungeschriebene Geschichte fängt schon an zu „leben“. Und sie könnte viele Menschen ansprechen. Auch mich, da es die Geschichte einer ganzen Generation ist, die viele ähnlich erlebten und erlitten.
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Liebe Gisela, spannend ist ja auch, wie uns selbst unter ganz anderen Lebensumständen die Geschichte der Eltern prägt. Solange es möglich ist, sollte man jede Gelegenheit nutzen, sich generationenübergreifend zu unterhalten. Herzliche Grüße!
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Ein sehr schöner Text!
Das kann ich gut nachvollziehen! Ich erhalte bald die Memoiren meiner Großmutter (auf Schreibmaschine), nachdem ich sie schon verloren glaubte. Liebe Grüße aus Wien
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Danke, liebe Barbara. Na, ein Glück! Hat deine Großmutter sie selbst getippt, oder aufschreiben lassen? Wie schön, dass du ihre Erinnerungen bald lesen kannst. Herzliche Grüße an dich!
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Das stimmt! Zum Glück sind sie nicht verloren gegangen. Ich hoffe, sie bald zu bekommen … Bis Weihnachten wäre schön.
Meine Oma hat sie selbst getippt und ich erinnere mich daran. Bis zu ihrer Hochzeit wird nacherzählt.
Wir haben einander auch Briefe geschrieben, als ich in Lissabon gelebt habe und die tippte sie als Buchhalterin auf der Schreibmaschine. Sie meinte immer, sie hätte keine schöne Handschrift, weil von Kurrentschrift umgelernt hatte. Immer noch schöner als meine … ich bewundere meine Studis, die sie lesen können ;-).
Buona domenica, Anke ☀️
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Wir hatten einen Biologielehrer, der zu seinem Gekrakel an der Tafel sagte: „Handschriftenlesen ist eine Frage der Intelligenz.“ Als wir protestierten: „Was eine Handschrift ist, bestimme ich.“
Grazie cara, dir auch einen schönen Sonntag! 🙂
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Ich würde gern mehr zur Vierfruchtmarmelade ohne Früchte lesen, mehr von den unsortierten Erinnerungen deines Vaters und ebenfalls mehr zu dem Sog des Schreibseminars!
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Liebe Sophie, das sieht dir ähnlich! 😉 Mal schauen, was sich machen lässt. 🙂
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Toll, oder? Ich habe auch so ein paar Schätze zu Hause, aber kaum tippe ich sie ab, „funktionieren“ sie nicht mehr so
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Von deiner Oma, oder Omilein nanntest du sie wohl auf deinem Blog? Sie müssen ja nicht funktionieren, es ist gut, dass du sie hast, im Original, aus erster Hand.
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vor zwei Jahren kam noch ein große Kiste Fotos dazu. Zeitreise … 😉
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Jeden Gedanken empfinde ich mit, liebe Anke. Einen Teil ihrer Lebenserinnerungen hat meine Mutter noch lesen können. Alles andere folgte nach ihrem plötzlichen Tod, nach Gedanken in Stichpunkten, die ich ein Jahr zuvor in Gesprächen mit ihr festgehalten habe. Was mich immer noch und immer wieder bekümmert: „Ich kann nicht mehr nachfragen.“
Spätsommerliche Grüße
Bettina
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Du sagst es, liebe Bettina. Ich hatte schon zu Lebzeiten meiner Mutter das unbefriedigte Bedürfnis, noch zu fragen, aber wir sahen uns selten, oft war nicht der richtige Moment, sie zu müde, am Telefon gab es Missverständnisse oder der Pfleger kam gerade ins Zimmer und sie meinte, sofort auflegen zu müssen … Leider wird einem erst im Alter und manchmal zu spät bewusst, was man noch alles hätte wissen wollen.
Frühherbstliche 😉 Grüße aus dem Norden des Südens an dich!
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Danke, ich glaube, da gibt es viel ähnliche Erfahrungen. Das verbindet Menschen auch untereinander.🙏💔🌳🌹💛🦢
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Der Titel Deines Posts ließ mich sofort DDR assoziierem. – Das hört sich spannend an und das Tollste daran ist, dass Du diese Notizen besitzt.
Ich bin gerade dabei zu versuchen, Leuten klarzumachen, dass es schön ist, etwas aus den Erinnerungen und Erfahrungen Älterer aufzuzeichnen, so lange das noch möglich ist. Geht dabei um ’nen Verein und sein Jubiläum, aber das kann man ja auch ausweiten aufs „normale Leben“.
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Oh ja, bleib am Ball bei den Erinnerungen an die Geschichte deines Vereins und die der Menschen, die ihn geprägt haben!
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Leichter gesagt als getan….
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Liebe Anke,
oh, wie spannend! Was für wunderbare Memoiren. Alleine die Schrift seiner Eltern zu lesen macht einen doch ein wenig melancholisch. Eine Schrift, wie aus der Zeit gefallen. Ich bin gespannt, was daraus wird und bin mir sicher, dass dir zur richtigen Zeit die richtige Eingebung kommt.
Ganz liebe Grüße aus Frankfurt, Eva
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Danke, liebe Eva. Und hab eine gute Woche!
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Das wünsche ich dir auch, liebe Anke!
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