Glaubensfragen

Neulich fragte ich Rosetta, ob ihr Name vielleicht typisch sei, da, wo sie herkommt. Ich lese auf dem Blog bei Martina Haas, die viele Wochen des Jahres in ihrem Haus in Sizilien verbringt, manchmal von der Nachbarin Rosetta. Ja, schon, sagt meine Rosetta. Aber auch Rosalia, Rosaria, also andere Formen von Rosa. Überhaupt sei es in Sizilien immer noch verbreitet, dem Nachwuchs den Namen oder eine Version des Namens der/des Schutzheiligen des jeweiligen Ortes zu geben. Ah, interessant. So etwas gibt es in Deutschland nicht, behaupte ich. Aber wer weiß, für streng katholische Gegenden in Bayern kann ich nicht sprechen. Als ich Rosetta dann auch noch beichte, dass bei uns keiner den Namenstag feiert und ich sehr überrascht war, dass der hier in Italien neben dem Geburtstag eine Rolle spielt, staunt sie nicht schlecht. Mein Mann hat seinen Namenstag am zweiten Weihnachtsfeiertag, und mittlerweile weiß ich, dass er gern zum Santo Stefano beglückwünscht wird. Ihm auch noch was zu schenken, kommt für mich direkt nach der Bescherung nicht in Frage. Ich feiere auch keine Heilige Anna. Doch zurück zu meinem Gespräch mit Rosetta. Als ich ihr erkläre, dass da, wo ich herkomme, die Kirche, zumal die katholische, nur bei sehr wenigen Menschen eine Rolle im täglichen Leben spielt, fragt sie: Und was ist mit Taufe, was mit der Kommunion? Hm, was soll ich ihr darauf antworten. Dass man auch ohne diese Bräuche gut leben kann? Na ja, sage ich, wer nicht gläubig ist, der lässt seine Kinder eben nicht taufen und das alles. Jetzt werdet ihr sagen, da kommt eine aus Ostdeutschland und erzählt von der Rolle der Kirche in Italien. Nein, das steht mir nicht zu. Aber mein persönliches Empfinden, nach mehr als zwanzig Jahren hier in Norditalien und das unmittelbare Umfeld betreffend, lässt sich so beschreiben: Ja, fast alle Kinder sind getauft. Ja, fast alle Kinder gehen zum Katechismus. Es sind erstaunlich wenige, wenn man schaut, wer von ihnen regelmäßig sonntags oder überhaupt mit den Eltern in die Kirche geht. Meist ist es dann einer der Erwachsenen in der Familie, der darauf besteht. Und vielleicht nur, weil er meint, es würde so erwartet. Von den Nachbarn und Bekannten. Es gehört eben zur Tradition. Wie die Bescherung und der geschmückte Baum zum ostdeutschen Weihnachtsfest gehörten. Auch mein Mann Stefano ist getauft. Seine Eltern waren gläubig? Ach, i wo! Ich frage ihn nach seiner Einschätzung und bestehe darauf, dass er gründlich in seinen Erinnerungen forscht und all seine Freunde und Bekannten durchgeht. Er kennt mit fast fünfzig Jahren persönlich zwei oder drei Menschen, die zweifelsfrei glauben und diesen Glauben auch leben. Vor denen habe ich den größten Respekt.

Titelbild: Symbolbild von Pexels.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

40 Kommentare zu „Glaubensfragen

  1. Liebe Anke, das ist ein sehr interessantes Thema, das du ansprichst. Ich komme aus einer sehr gläubigen Familie. Allerdings, wenn ich ganz genau bin, war meine Mutter die gläubige Person, mein Vater eher nicht. Ich musste jeden Sonntag in die Kirche gehen, konnte problemlos ganze Passagen aus der Bibel zitieren und war dennoch nicht gläubig. Als ich selbst entscheiden konnte, bin ich augenblicklich nicht mehr in die Kirche gegangen. Ich sehe es wie du: die meisten Menschen, die in der Kirche sind, lassen ihre Kinder taufen und konfirmieren und die Kommunion vornehmen, aber direkt mit der Kirche verbunden sind nur wenige und es werden – zumindest in Deutschland – immer weniger, die in der Kirche bleiben, was auch mit dem Verhalten der Kirchen zu tun hat. Die ganzen Skandale und diese fehlende Flexibilität und mangelnde Offenheit für gesellschaftliche Veränderungen. Für mich war die Kirche häufig eine Belastung mit all den moralischen Vorgaben. Dabei kann ich viele christliche Werte teilen, aber diese Werte gibt es eben auch in anderen Religionen und auch bei Menschen, die nicht religiös sind. Ich würde gern mal etwas zu Erfahrungen von Menschen mit der Kirche bloggen. Das wäre sicher spannend. Herzliche Grüße Roswitha

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    1. Liebe Roswitha, auf alle Fälle ist das ein großes Thema und ein weites Feld, das ich hier an dieser Stelle nicht umfassend beackern kann und möchte. Es ist so ein Eindruck, den ich in all den Jahren bekommen habe. Und ich sehe es wie du, ich muss an keine Bibel glauben und strengen Ritualen folgen, um humanistische Werte zu teilen und zu leben. Ich finde es auch nicht gut, dass es hier in Italien immer noch Religionsunterricht im ausschließlichen Sinne der katholischen Kirche gibt. In der Schule sollte ein Überblick über die verschiedenen Glaubensrichtungen gegeben werden, um gegenseitiges Verständnis und Toleranz zu fördern. In der Freizeit geht dann jeder seiner Religion nach oder eben nicht. Das Thema in deinem Blog aufzugreifen und Menschen berichten zu lassen, klingt spannend! So wie damals die Berlin-Reihe. Liebe Grüße Anke

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  2. Ich war evangelisch: getauft in Luthers Predigtkirche in Wittenberg, dort auch konfirmiert und in zweiter Ehe getraut. Als ich danach mit meinem Sohn schwanger war, hat die STASI meinen Mann eingesperrt. Und ohne jeden Zuschuss von irgendwoher musste ich zurecht kommen, da kam eine Kirchensteuerforderung für mich und meinen Mann an mich! Habe ich empört abgelehnt, denn ich kann nicht mehr glauben… Meine Kinder sind nicht getauft oder dergleichen. Ihr Vater war nach unserer Scheidung vor seinem Tod 35 Jahre lang noch mit einer anderen Frau verheiratet.

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    1. So macht jeder seine persönlichen Erfahrungen und zieht seine Schlüsse daraus. Was den einen im Glauben bestärkt, lässt den anderen den Glauben verlieren. Danke für deinen Kommentar!

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  3. Liebe Anke, vielleicht müsste man dazu erst klären, was du unter Glauben verstehst. Und ob der Glaube nur bezogen auf Religiosität zählt und wenn ja, wann ein Mensch dann ein gläubiger Mensch ist. Der, der regelmäßig betet? Der, der regelmäßig die Kirche besucht? Der, der beides nicht tut, sich aber an die 10 Gebote hält? Der, der an sich, an die Sonne oder an das Gute im Menschen glaubt? Oder der, der an nichts glaubt? Weil ja auch der etwas glaubt. Nämlich, dass er an nichts glaubt. Irgendwie glauben wir ja alle an irgendwas 🙂 Liebe Grüße Bea

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    1. Liebe Bea, du wirst ja philosophisch! 😉 Meine letzten beiden Sätze beziehen sich hier natürlich auf den katholischen Glauben. Ich glaube (?) schon, dass man, wenn man an einen Gott glaubt und dessen Kirche angehört, auch hin und wieder in diese gehen sollte. Und zwar aus eigener Überzeugung, nicht, um „Bella Figura“ vor anderen zu machen, oder weil es sich so „gehört“. Weil man es möchte. Weil man an diese Lehre glaubt. Danke für deinen amüsanten, aber sehr berechtigten Kommentar. Liebe Grüße an dich!

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      1. Nein, nicht philosophisch, eher nachdenklich. Vielleicht, weil ich selber mal in so einer Glaubenskrise war, als es nämlich darum ging, ob ich mich konfirmieren lasse, oder eben nicht. Ich bin in einem Elternhaus groß geworden, in dem Gläubigkeit nicht verboten war, aber auch nicht vorgelebt wurde. Und so habe ich bis zum 14. Lebensjahr zwar Kirchen besucht und auch in der Schule am Religionsunterricht teilgenommen, mehr aber auch nicht. Meine Mutter sagte mir: Du kannst selbst entscheiden, ob du konfirmiert werden möchtest. Solltest du es jedoch NUR der Geschenke wegen machen und nicht am Unterricht teilnehmen, bzw. im Anschluss keine Kirche mehr besuchen, werden wir das nicht unterstützen.
        Ich habe mich gegen die Konfirmation entschieden und es auch bislang keinen Moment bereut.
        Und nachdem in den letzten Jahren immer mehr Missbräuche bekannt und nicht sanktioniert wurden, bin ich mir noch sicherer geworden, mein Geld und meine Zeit nicht mit der Kirche zu teilen. Was aber nicht heißt, dass ich ungläubig bin. Ich denke schon, dass da irgendwo irgendwas ist. Mit einem Gott hat das aber für mich nichts gemein. 🙂
        Liebe Anke, viele Grüße zurück an dich & hab ein schönes Wochenende… 🙂 Gruß Bea

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  4. In Polen ist es wohl so, dass der Namenstag eine weitaus größere Bedeutung hat als der Geburtstag. Da haben es die Arbeitskollegen leicht, denn die Feiertage der Heiligen sind dort gut bekannt.
    Gläubige sollen doch tatsächlich manchmal ihr Kind nach dem Heiligen benennen, der am Geburtstag gerade dran ist. – Man muss ja nicht übertreiben mit der Gläubigkeit.

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  5. Hui, da schneidest du ja ein Thema an, liebe Anke! Manchmal denke ich, dass ich gern an Gott/etwas Göttliches glauben würde, an jemanden, der seine schützende Hand über uns Menschheit und jeden Einzelnen von uns hält. Ich glaube, dass es guttun könnte, wenn man so fest glaubt. Mir gelingt es nicht, aber ich bin trotzdem als Erwachsene in die Kirche eingetreten, vollkommen entgegen dem Trend, übrigens in die evangelische. Wenn ich im Gottesdienst bin, was selten vorkommt, fühle ich mich immer irgendwie geborgen. Klingt vielleicht seltsam.
    Wann mein Namenstag ist, weiß ich nicht. Sollte ich mal nachschauen. Ich liebe Geschenke. 😉

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    1. Nein, das klingt nicht seltsam. Das Bedürfnis, an etwas und eine Gemeinschaft zu glauben, in der wir uns geborgen fühlen, trägt doch jeder in sich drin.
      Du würdest den 15. Mai feiern. „Die letzte Eisheilige am 15. Mai ist die heilige Sophia von Rom.“ Als Eisheilige, klingt nicht schlecht. Aber der Namenstag hat wohl in der evangelischen Kirche keine Bedeutung. Vielleicht musst du dir einen anderen Anlass einfallen lassen, um Geschenke zu erhalten. 😂

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  6. Wer ist „gläubig“, wer „unglâubig“? Das ist ein weites Feld. Aber ich liebe die Kirchen und die Orgelmusik und das gemeinsame Gebet. Wer nun gläubig oder ungläubig ist, kann ich nicht beurteilen und will es auch nicht. Ob katholisch oder evangelisch oder freikirchliche macht für mich keinen wesentlichen Unterschied. Aber das Vorbild von JESUS CHRISTUS ist mir wichtig.
    Das aber war eigentlich nicht die Frage.

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    1. Da sagst du was, es ist ein weites Feld. Jeder hat seine persönliche Einstellung und am allerwichtigsten ist es doch, das zu akzeptieren. Ich fände es schön, wenn man bewusst entscheidet und lebt, nicht nur mitmacht, was andere, vermutlich Konventionen folgend, erwarten.

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  7. Hier in Bayern kennen tatsächlich die meisten meiner Freunde ihren Namenstag. Die meisten davon kenne ich nicht, nur bei deinem Mann hätte ich ihn sofort gewusst. Hier bei mir wird der zweite Weihnachtsfeiertag nämlich „Stefani“ genannt.
    Mit einem ganz lang gezogenen A und in Dialekt ausgesprochen 😉

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    1. Tatsächlich, das wusste ich nicht. Habe den „Santo Stefano“ als Mann und als Feiertag erst in Italien kennengelernt. 😉 Vermutlich weilte ich nie zum Weihnachtsfest in Bayern. Wir sind dort immer im Sommer, auf der Durchreise, die wir aber gern zu ein paar Tagen Urlaub nutzen. Liebe Grüße nach München!

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  8. Le cose sono cambiate moltissimo negli ultimi decenni, cara Anke. Negli anni 70 si andava tutti a messa e al catechismo e addirittura le donne mettevano il velo in testa. Poi piano piano le chiese si sono svuotate. Per quanto riguarda i nomi, al nord la tradizione di rinnovarli con figli e nipoti è meno seguita.

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    1. Sì, ci sono differenze significative tra Nord e Sud, dal punto di vista culturale e delle tradizioni religiose. Per questo sottolineo sempre che parlo della mia esperienza qui in Lombardia, e non di tutta l’Italia. E negli ultimi vent’anni. Comunque, ero un po’ preoccupata, quando abbiamo avuto figli, come sarebbe stato accettato che non partecipavano alle tradizioni cattoliche. Meno male non ci sono problemi e non sentono disaggi. Immagino che tanti anni fa fosse un po’ diverso.

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  9. Liebe Anke, mein Mann kommt aus einem katholischen Dorf im Emsland. Zum Namenstag wurde ihm als Kind immer gratuliert, erinnert er sich. Während in der überwiegend evangelischen Gegend aus der ich komme (Nordbaden), Namenstage so gut wie keine Rolle spielten. Im Emsland hat die katholische Kirche übrigens auch heute noch eine wichtige Bedeutung.
    Ich selbst wurde durch die Jugendarbeit in der evangelischen Kirchengemeinde politisiert – ich erinnere mich an Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg durch die umliegenden Dörfer und an Umweltcamps, angestoßen durch einen 68er Jugenddiakon.

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    1. Liebe Elke, danke dass du deine Erinnerungen hier teilst. Das gemeinsame Erleben und auch Agieren, wie bei solchen politischen Aktionen, stärkt natürlich die Bindung an diese Gemeinschaft und gibt ihr Sinn. Herzliche Grüße!

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  10. Liebe Anke, danke dass du meinen Blog verlinkt hast. Wenn ich bei dir von „meiner“ Rosetta lese, kriege ich gleich richtig Heimweh nach Sizilien. Dort erlebe ich bei all den Festen, bei denen die Heiligen gefeiert werden, dass Religion ganz anders gelebt wird, als hier in Deutschland. Ob die Menschen wirklich gläubig sind, weiß ich natürlich nicht. Aber bei einer Prozession dabei zu sein, ist offenbar alternativlos, anders kann ich mir die Menschenmengen nicht erklären. Mal schnell in eine Kirche zu gehen, um eine Kerze anzuzünden, mache ich mittlerweile auch, kann ja nicht schaden, denke ich mir dann. Ich habe den Eindruck, dass in Sizilien, möglicherweise in ganz Italien, der Rechtfertigungsdruck, überhaupt Mitglied in der katholischen Kirche zu sein, auch wenn es nur auf dem Papier ist, nicht so hoch ist wie hier in Deutschland. Liebe Grüße!

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    1. Liebe Martina, gern geschehen. Dieser Text entstand schon vor einiger Zeit, tatsächlich wie geschildert angestoßen durch deinen Blog und meine Fragen an „meine“ Rosetta aus Sizilien. Ich glaube gern, dass du dich nach deinem zweiten Domizil sehnst und bin schon gespannt auf neue Berichte von dort. Leider war ich selbst noch nie in Sizilien, aber man muss auch schon längere Perioden da leben, so wie du, um die Kultur hautnah zu begreifen. Es ist schon krass, wenn ich mich als Deutsche mit DDR-Herkunft in Norditalien mit einer Frau aus Süditalien unterhalte. Sehr spannend und schön, dass das heute möglich ist. Liebe Grüße zurück!

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  11. Ich denke, in der DDR war es wichtig, dass es ausser der SED noch eine andere Kraft gab, nämlich die Kirche, deren Dach gerade in Zeiten der friedlichen Revolution nicht nur von Christen genutzt wurde. Gläubig zu sein in der DDR war ein doppeltes Bekenntnis: zum Glauben und gegen den Staat DDR.
    Ich selbst bin evangelisch getauft, komme aus einem protestantisch/katholischen Elternhaus, habe den Sohn eines evangelischen Pfarrers (zufällig) geheiratet. Unser Kinder sind getauft. Zur Gläubigkeit möchte ich hier keine Aussage machen. Sie ist unterschiedlich ausgeprägt.
    Ich will nur von mir sprechen und bin sehr froh, glauben zu können. Es gab schon ernste Situationen in meinem Leben, in denen mir der Glaube an Gott Halt und Zuversicht gab durch seine Verlässlichkeit in der Tradition. Gerade beschäftige ich mich sehr mit Joseph Ratzinger und gebe gern seine Aussage zur Kirche und dem Zeitgeist wieder, die besagt, immer, wenn sich die Kirche dem Zeitgeist angepasst hat, hat sie verloren. In Zeiten des immer schnellern Wandels aller Dinge brauchen viele Menschen Verlässlichkeit. Ein Schiff in den Stürmen des Lebens (Hl. Gregor der Große)

    Ein weites Feld.
    Liebe Grüße, Bettina

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    1. Liebe Bettina, jetzt musste ich dich doch wieder einmal aus dem Spam-Ordner fischen. Warum auch immer das passiert. 🤷‍♀️
      Danke für deinen Kommentar und das Teilen deiner Gedanken. Ich freue mich, dass mein Text ein Anstoß für so viele sehr konstruktive wie vielseitige Kommentare ist. Jetzt hast du bei mir auch einen gedanklichen Stein ins Rollen gebracht: Das „doppelte Glaubensbekenntnis“ zu DDR-Zeiten traf sicher für viele zu, dem widerspricht aber auf der anderen Seite das Phänomen, dass es im Zuge der Wende so viele Austritte aus der Kirche gab. Meinst du nicht? Schade finde ich, dass es der Staat DDR nicht geschafft hat, auf die gemeinsamen humanistischen Ideale, die ja den Sozialismus in der Theorie und die Kirche verbinden, zu bauen, sondern die Gläubigen pauschal als Staatsgegner verunglimpfte. Ich denke nämlich nicht, dass alle Gläubigen in der DDR automatisch und im Prinzip gegen den sozialistischen Staat waren. Die Ablehnung wurde sicher oft erst auch generiert durch die kritische und misstrauische Einstellung des Staates ihnen gegenüber. Aber egal, das ist „acqua passata”, wie der Italiener sagt. Verflossenes Wasser, Geschichte.
      Ich wünsche dir einen schönen Sonntag! Liebe Grüße Anke

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      1. Ja, liebe Anke, da hast du recht mit dem Verunglimpfen der Gläubigen zu DDR-Zeiten und dass ein friedliches Akzeptieren wohl zielführender gewesen wäre. Allerdings waren nur zwei Schüler in meiner Klasse wirklich „überzeugt“, wie ja der gängige Ausdruck war (wir waren 16, davon 5 konfessionell gebunden).
        Bis 1989 war zwar eine Kirchensteuer fällig für uns Christen in der DDR, aber es erfolgte weder eine Kontrolle ob gezahlt wurde, noch eine Festlegung der Höhe, was sich schlagartig änderte mit der Wende. Plötzlich war die Kirchensteuer einkommensabhängig und wurde gleich vom Gehalt abgezogen. In diesen unsicheren und für viele knappen Zeiten, stellte so mancher seinen Glauben deshalb noch einmal auf den Prüfstand und oft hörte man den Satz, und hört ihn noch heute: „Für meinen Glauben brauche ich keine Kirche.“
        In meinem letzten Beitrag meines Blogs habe ich folgendes geschrieben: „Viele halten es ja heute mit der Aussage von Max Weber, dass, wer sich dem Glauben zugewandt hat, das »Opfer des Intellektes« gebracht hat.“ Fast gilt das heute noch viel mehr als damals. Damit muss man, wenn man nicht recht fest im Glauben steht, erst einmal fertig werden.
        So, liebe Anke, nun grüße ich herzlich und wünsche dir noch ein schönes Wochenende aus dem verschneiten Osten Deutschlands.
        Bettina

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      2. Danke dir! Hier weht ein frischer Wind, aber es scheint die Sonne. Schnee wird in unseren Breiten immer mehr zu einem Märchen aus der Kindheit.

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  12. Liebe Anke

    Um mich mal vorzustellen: ich bin ein Ostdeutscher, der (noch vor Dir) in Strausberg geboren wurde und in der Kastanienallee und im Albin-Köbis-Ring in Vorstadt aufwuchs bis er dann 1974 nach Potsdam verzog und der jetzt seit über 20 Jahren in der Nähe von Heidelberg zuhause ist.

    Ich kann Deine Sicht aber sowas von verstehen und nachfühlen, dass man sich manchmal total bescheuert vorkommen muss wenn man entsetzt gefragt wird „Wie, Dein Kind geht nicht zum Religionsunterricht? Dann wird es ja gar keine Kommunion haben?“

    Ich hab mich dann oft gefragt, ob den Fragenden eigentlich klar ist, wie sehr mir ihr offenbarter Blickwinkel als eingeengt vorkommen muss, und ob sie mir leid tun müssen ob ihres Unwissens darüber, dass es auch Menschen gibt, die ganz ohne Religion auskommen.
    Und es ist auch bei uns nicht gerade so, dass die Kirchen aus den Nähten platzen. Ich weiß es ja nicht genau, aber mein Gefühl ist durchaus, dass auch hier manch Kirchgang der Jüngeren eher aus Pflichtbewusstsein oder reiner Tradition stattfindet. Gleichzeitig lebt da trotzdem mit der Pfarrjugend eine Gemeinschaft rund um die Kirche. die durchaus lebendig ist. Für mich sehr ambivalent.

    Nun zu lesen, dass es Dir in Norditalien in gewisser Weise ähnlich geht, erzeugt irgendwie ein schönes Gefühl in mir. So als würde jemand sagen „Siehste, biste doch nicht alleene!“

    Herzliche
    Muschelschal97

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    1. Hallo Herr Muschelschal,
      schön, dass du meinen Blog und diesen Beitrag gefunden hast. Ich freue mich über deine Nachricht und dass ich mit diesem Text deinen Nerv treffen konnte. Die Welt ist doch klein: In der Kastanienallee war ich immer Kastanien sammeln. 😉 Herzliche Grüße nach Heidelberg!

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  13. Soll jeder glauben was er will, ich glaube nix.
    Ich respektiere Glauben, informiere mich auch drüber, aber ich brauch‘ das nicht und finde es im Christlich geprägten Deutschland auch eher „belästigend“ wenn ich zum Beispiel im Hotelzimmer eine Bibel finde. Warum?? Ich will da schlafen!

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    1. Das ist ein bisschen so, als wenn damals im Osten in den Ferienheimzimmern überall das Manifest gelegen hätte. Hätte das einer lesen wollen, im Urlaub? 😉

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  14. Ein interessanter Beitrag, der zu vielen Gedanken und kontroversen Ideen führt. Wie immer hast Du sehr das sehr schön und plastisch beschrieben. Meine Mutter war sehr gläubig, für sie in den Kriegszeiten ein Glück. Ich wünschte, ich wäre es auch, aber das kann man nicht erzwingen. LG Marie

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    1. Liebe Marie! Ja, mein Text hat offensichtlich so manchen gedanklichen Stein ins Rollen gebracht. Schön. Danke auch für deinen Kommentar! Dass man im Luftschutzkeller zu beten anfängt, ist nur allzu verständlich. In solchen Zeiten ist alles gut, was einem hilft, durchzuhalten. Ein herzlicher Gruß an dich!

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