oder: Smart waschen will gelernt sein
Neulich war es mal wieder so weit: Ein Haushaltsgerät gab nach wenigen Jahren ‒ für meinen Geschmack viel zu früh ‒ seinen Geist auf. Unsere Waschmaschine wusch noch, tanzte aber schon längere Zeit beim Schleudern trotz Rutsch-Stopp-Unterlagen unkoordiniert über die Fliesen. Als sie zusätzlich noch damit anfing, untenrum Wasser zu verlieren, war es wohl oder übel Zeit für eine Neuanschaffung. Warum übel, werdet ihr euch fragen. Nun ja, ich tue mich schwer mit neuer Technik. Ganz allgemein, und mit der immer neueren Technik sowieso. Smart fand ich das solide AKA electric RG28, ein elektrisches Handrühr- und Mixgerät aus DDR-Produktion, das meine Schwester bis vor wenigen Jahren benutzte. Stiftung Warentest bestätigte dessen Unverwüstlichkeit in einem erst im Jahr 2020 durchgeführten Test und betitelte den Kultmixer aus dem Osten „Held der Arbeit“. Helden der Arbeit wollen heutzutage weder die Menschen noch die Elektrogeräte sein. Ein Smart Home ist das neue geile Spiel, per App macht’s mehr Spaß und wie es für Spiele nun mal typisch ist, geraten sie schnell aus der Mode oder geben ihren Geist auf. Entsprechende Erfahrungen mussten wir mit Kaffeeautomaten machen. Noch arrangieren wir uns mit den Macken des bereits zweiten eleganten Geräts der gehobenen Preisklasse. Danach möchte ich, nach all den hohen Erwartungen und immer neuem Frust, zur guten alten Moka zurück. Wenn es nach mir geht. Geht es aber nicht, schließlich lebe ich in einer Wohngemeinschaft, Familie genannt, und da haben auch andere ein Wörtchen mitzureden. Sind es bei euch eigentlich auch die Herren des Hauses, die auf die neue smarte Technik schwören und nie den Spaß an neuen Spielereien verlieren? Während Frauen von der guten, alten, einfachen Zeit träumen? Als es noch Ein/Aus-Knöpfe gab, man mit dem Löffel eigenhändig umrührte und selbst kontrollierte, ob etwas fertig war.
Aber zurück zur aktuellen Neuanschaffung in Sachen Smart Home, unserer Waschmaschine. Nach dem misslungenen Versuch, aus der beiliegenden Gebrauchsanweisung schlau zu werden (sie enthält mehr Seiten Warnhinweise als Funktionsbeschreibung), bestand ich darauf, die erste Wäsche mit dem Drehschalter direkt am Gerät zu programmieren. Mein Mann wollte das partout im neuen Remote-Modus erledigen. Wir standen also beide vor dem Gerät, er tippte und wischte eifrig auf seinem Smartphone herum. „Was machst du da?“, fragte ich nervös. Der verzweifelte Ton in meiner Stimme ließ ihn kalt. „Das muss doch auch so gehen!“, beharrte ich, während meine Anspannung stieg. Ehe wir uns versahen, drohte eine mittelschwere Ehekrise. „Das mit dem Handy kannst du mir dann immer noch zeigen“, grummelte ich und dachte, dass es mich eigentlich gar nicht interessiert. Ohne dass ich darum gebeten hatte, hatte mir mein Mann bereits die entsprechende App auf dem Handy installiert, damit ich mit der Maschine kommunizieren kann. Er argumentierte zuallererst damit, dass die App meldet, wenn das Programm beendet ist. Diesen Vorteil kann ich nachvollziehen. Dazu muss ich erklären, dass unsere Waschmaschine in der „Lavanderia“ (Waschküche) im Keller steht. Bei unserem alten Gerät lief ich manches Mal umsonst hinunter, weil das Programm noch nicht zu Ende war. Manchmal schickte ich meinen Mann nachschauen. Künftig kann er mir nun vom Sofa aus zurufen, dass ich aufhängen gehen kann. Soviel zu den neuen Helden der Arbeit.
Ich gebe zu, generell skeptisch zu sein, was den allzu schnellen technischen Fortschritt betrifft. Zu Zeiten der industriellen Revolution hätte man mich zu den Maschinenstürmern gezählt, heute streite ich mit Mitbewohnern. Aber ich meine: Nicht alles gelingt besser, wenn man es anders und angeblich smart machen soll. Verständlicher wird es jedenfalls nicht. Ich habe im Fall der neuen Waschmaschine das ungute Gefühl, hunderte Optionen und Kombinationen zur Verfügung zu haben, dabei aber nicht zu wissen, welche Funktion nun im konkreten Fall die richtige ist. Bei Waschprogrammen bin ich sowieso der Typ „Gemischtes, 30 Grad“. Da kann man nichts falsch machen, oder? Für Laken und Handtücher gab es beim Vorgängermodell „Baumwolle, 60 Grad“ und für Wolle das Schonprogramm. Nach den ersten Versuchen, eine sinnvolle Wahl zu treffen, stellten wir fest, dass die Programme immer viel länger als zuvor laufen. Ist das nun ökologischer? Ich hoffe doch sehr. Auch war ich es beim alten Gerät gewohnt, das Ende des Programms zeitversetzt zu programmieren. Früh vor der Arbeit füllte ich die Maschine, wählte das Programm und anschließend die Uhrzeit, wann es fertig sein sollte: nach drei oder mehr Stunden. Wenn ich später heimkam, konnte ich direkt aufhängen. Wir haben noch nicht herausgefunden, wie man das mit der neuen smarten Maschine macht. Mein Mann schlug vor, morgens die drei W ‒ Wäsche, Waschmittel und Weichspüler ‒ einzufüllen, die Luke zu schließen, aber das Gerät nicht in Gang zu setzen. Erst aus der Ferne würde ich zum gewünschten Zeitpunkt per App das Programm wählen und starten. Na großartig! Im Büro oder unterwegs habe ich auch nichts anderes zu tun. Ich höre schon meine Kollegen: „Mit wem chattest du da?“ „Mit meiner Waschmaschine.“
Womöglich wird es in der warmen Jahreszeit, in der ich die Wäsche auf dem Balkon trockne, von Vorteil sein, das Programm erst im letzten Moment zu wählen. Man stelle sich vor, am Morgen scheint noch die Sonne, aber schon zwei Stunden später ziehen Wolken auf. Dann kann ich vom Büro aus das Programm „Giornata nuvolosa“ (Bewölkter Tag) wählen und starten. Ich erwarte mir davon, dass die Wäsche dabei einen Tick trockener geschleudert wird. Aber genau weiß ich es nicht, es wird einem ja nicht erklärt. Intuition ist etwas Feines, wenn man sie hat. Ich habe sie bei der neuen Technik meistens nicht. Also heißt es für mich: Probieren geht über studieren. Vielleicht ‒ nein, ganz sicher ‒ werde auch ich mich früher oder später mit meiner neuen Waschmaschine anfreunden. Spätestens an einem wolkenreichen Tag im Sommer.
Titelbild: Symbolbild von Pexels.
Ja, bestimmt, ich habe gerade auch wieder die App zur Heizungssteuerung deinstalliert und den erforderlichen WLAN Repeater meinem Vater geschenkt, damit ich WLAN habe, wenn ich bei ihm bin.
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Sprich mir nicht von Heizungssteuerung. Es kocht gerade der Boden unter meinen Füβen, obwohl der Mann doch endlich die richtige Einstellung, mit durchgängig angenehmen Temperaturen, gefunden hatte.😒
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Na immerhin, dann wird sich das ja mit der Zeit wohl in die richtige Richtung schaukeln …
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Spätestens im Frühjahr, wenn wir die Bodenheizung wieder ausstellen. 😂
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„Mit meiner Waschmaschine“ – sehr lustig. Ich bin bei dir und habe außerdem Angst, jemand könnte die smarten Geräte hacken. Dann lieber altmodisch.
In Lissabon hatte ich einmal gar keine Waschmaschine ein Jahr lang, das muss dann auch wiederum nicht sein, da chatte ich dann doch lieber stundenlang mit Robotern.
Tanti saluti analogici 🙂
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Liebe Barbara, diese Angst vor Hackern habe ich zum Glück nicht, aber dass „das Web“ einfach bald alles weiß, was man gerade tut. Sogar, dass man seine dreckige Wäsche wäscht. 🙈 Grazie e tanti saluti a te!
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Meine Geräte kann ich so recht und schlecht alle gut bedienen – und sie machen DAS, was ICH will. Aber gerade gab es im Haus ein Beispiel von sehr komplizierter Herdtechnik. Der Mann, der plötzlich zum Witwer geworden war, konnte partout nicht den Induktionsherd anwerfen. Erst ein Bekannter, der auch Elektriker ist, schaffte das und gab ihm Instruktionen – jetzt klappt es wohl.
Solche und über App zu bedienende Geräte brauche ich nicht, so lange ich noch Drehrädchen betätigen und Knöpfe drücken kann.
Und tschüss!
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Nicht wahr, Drehrädchen sind fein. Schon allein das Wort!
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Du meine Güte, liebe Anke, ich verstehe Dich vollkommen und fühle mit Dir. Wir haben in unserem Wohnblock zwar keine Waschmaschine mit App, aber seit es eine moderne, anscheinend umweltfreundlichere ist, trauere ich der alten nach. Selbst Polyester-Kleidungsstücke kommen verknittert raus, und das bei 30 Grad Wollwäsche und sanftem Schwingen. Auch hier dauert es viel länger als vorher – und auch ich frage mich: Braucht es so wirklich weniger Strom?
Ob das Problem darin besteht, dass es MÄNNER sind, die Waschmaschinen entwerfen?? Danke für den unterhaltsamen Beitrag und liebe Grüße, Elisa
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Liebe Elisa, dann hoffen wir mal, es hat alles seine umweltfreundliche Richtigkeit mit den langen Programmen. Danke für deinen Kommentar und liebe Grüße zurück!
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Unsere Tochter drängte darauf, dass die Familie sich einen Mähroboter anschaffen sollte. Nach langem Überlegen wurde er gekauft. Nun musst du wissen, liebe Anke, dass für technische Dinge unsere Tochter und ich verantwortlich sind. Mein Mann und unser Sohn sind da eher ungeeignet. Aber die Verantwortung für Installation und Inbetriebnahme habe ich von Anfang an an unsere Tochter übergeben. Das war Bedingung der Anschaffung und mir zu kompliziert 😏. Auch ich vertraue immer so lange wie möglich dem Althergebrachten und habe gerade erst am Wochenende mit der manuellen Kaffeemühle meiner Großmutter Kaffee gemahlen. Wunderbar! Liebe Grüße, Bettina
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Liebe Bettina, ich finde diese leise über den Rasen schleichenden Roboter immer herzallerliebst. Ob sie auch ordentlich in alle Ecken kommen? Unter Lautstärkegesichtspunkten zumindest sind sie ein Segen.
Eine handbetriebene Kaffeemühle: Das ist ja ein superschönes Erinnerungsstück. Und der Duft beim Mahlen, himmlisch! Danke und liebe Grüße an dich!
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Er heißt Alfi und gehört bereits zur Familie. Wenn man die Leitkabel ordentlich verlegt, ist er sehr zuverlässig. Auch die Vögel in unserem Garten haben ihn als Mitbewohner gelassen aufgenommen 😉. Eine geniale Erfindung. Allerdings fehlt der Duft frisch geschnittenen Grases. Dazu ist er zu sanft. Danke, liebe Grüße zurück.
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Liebe Anke, obwohl ich für mein Alter und Geschlecht eher zu den technikaffinen Menschen zähle, kann ich dich sehr gut verstehen.
Hier eine kleine Episode aus meinem Umfeld: als mein Schwager in Rente ging, meinte meine Schwester, er solle sich nun etwas mehr an der Hausarbeit beteiligen – er schlug vor, das Staubsaugen zu übernehmen – das war in seinen Augen sowieso keine richtige Arbeit. Nach zwei Wochen, begann er zu klagen und drei Wochen später wurde ein Staubsaugerroboter angeschafft. Als wir wenig später bei der Verwandtschaft in Süddeutschland zu Besuch waren, führte er das Gerät meinem Mann mit Begeisterung vor. Mein Mann, seinerseits seit Kurzem für das Staubsaugen in einem Teil der Wohnung zuständig, war beeindruckt und zögerte nicht lange – zurück in Berlin, wartete das Paket mit „Robi“ schon bei den Nachbarn auf uns. Unser Schwiegersohn kaufte sogar gleich das teure Modell für 800.-€ – echt smart!!! Eine Zeitlang war es sein neues Spielzeug – jetzt steht es unbenutzt in der Ecke, weil es immer wieder kleine Spielzeugteile der Kinder verschluckt hatte – es sei wohl für einen Haushalt mit kleinen Kindern nicht geeignet, meinte er!!!
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Liebe Elke, ich musste lachen bei deinem Beispiel, denn genau dasselbe Schicksal ereilte auch unseren Saugroboter, den damals mein Mann unbedingt haben wollte. Ein paar Mal haben wir ihn rumgeschickt, aber irgendwie sind wir keine Freunde geworden. Ich kann nicht einmal genau sagen, warum. Gegenstände verschluckt hatte er jedenfalls nichts. Danke für deinen heiteren Einblick ins Familienleben mit der Technik!
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„Smart fand ich das solide AKA electric RG28, ein elektrisches Handrühr- und Mixgerät aus DDR-Produktion, das meine Schwester bis vor wenigen Jahren benutzte. Stiftung Warentest bestätigte dessen Unverwüstlichkeit in einem erst im Jahr 2020 durchgeführten Test und betitelte den Kultmixer aus dem Osten „Held der Arbeit“. “
Herrlich! Genau so ist es! ich lache Tränen der Rührung. Danke, liebe Anke!
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Oh, das freut mich. Gelachte Tränen sind ja die besten.
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Habe noch nie verstanden, warum eine Waschmaschine soviel Programme haben muss. Da reicht doch „vorsichtig“, „Sport“ und „Rest“ … eigentlich. Und schon gar keine App … es sei denn es ist eine Aufhäng-App
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Interessant, deine drei Programmvorschläge. 😉 Dass drei ausreichen, da sind wir uns jedenfalls einig. 👍
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Super geschrieben, Du sprichst mir aus der Seele. Smart müssen meine Geräte nicht sein, hauptsache sie machen, was ich will, ohne dass ich dafür studieren muss. Das einzige, was endlich mal erfunden werden könnte, wäre eine selbstreinigende Küche. 😉
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Danke für deinen Kommentar! Und ja, natürlich: Selbstreinigung würde ich mir generell wünschen, auch für diese eleganten Kaffeeautomaten. Ständig steht man stundenlang da und entkalkt und reinigt und und und. Von wegen, die machen das alles selber. 😂
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