Verabredungen

Der Italiener und die (Un-)Verbindlichkeit

Mit Floskeln ist das so eine Sache. Als Ausländerin, die man sich in die Gepflogenheiten eines anderen Landes einleben muss, gehören sie zu den ersten Dingen, die man lernen und verstehen sollte. Mittlerweile weiß ich, dass ich auf ein dahingeworfenes „Ci vediamo!“ (Wir sehen uns!), keineswegs mit der Frage „Gerne, wann denn?“ antworten oder gar meinen Terminkalender zücken soll. Die Italiener sind so nett wie unverbindlich, und daran muss man sich als sture Preußin erst einmal gewöhnen. Irgendwann erklärte mir mein Mann: Selbst eine Einladung auf einen Caffè oder der Vorschlag, gemeinsam eine Pizza essen zu gehen, bedeutet erst einmal nicht viel mehr, als dass man dem anderen einigermaßen sympathisch ist und er sich so etwas vorstellen könnte. Man sollte dann danken und dieser Möglichkeit zustimmen. Bis es tatsächlich zu einem Treffen kommt, muss die Einladung oder der Vorschlag zwei- oder besser dreimal ausgesprochen worden sein.

Schade fand ich diesen Umstand im Fall einer Deutsch-Italienerin, die ich vor einiger Zeit kennenlernte und die auch zu mir meinte, ich solle doch mal auf einen Caffè bei ihr vorbeikommen. Sie wohnt zwei Häuser weiter, und es hätte mich interessiert, sie näher kennenzulernen. Aber ich maß ihren süditalienischen Wurzeln mehr Gewicht bei als ihrer deutschen Sozialisation per Geburt. Und tat gut daran. Ich hörte erstmal lange nichts von ihr, und als wir uns das nächste Mal beim Shopping trafen, kam sie nicht mehr auf das gemeinsame Kaffeetrinken zu sprechen.

Leider geht meine Gewöhnung an die hiesigen Sitten mittlerweile so weit, dass ich mich selbst schwertue, Einladungen auszusprechen. Sie könnten ja, in welcher Art auch immer, missverstanden werden. Denn es gibt ein weiteres Phänomen, mit dem wir uns hin und wieder konfrontiert sehen. (Ich sage wir und schließe meinen italienischen Mann mit ein, denn wenn wir als Familie agieren, übernimmt er meine Vorstellung von verbindlichen Ansagen beziehungsweise bemüht sich darum.) So luden wir ein Kind aus dem Haus offiziell zum Abendessen ein, nachdem es das mit unserem Kind ausbaldowert hatte. Ich, die ich erstens keine leidenschaftliche Köchin bin und zweitens nie mehr Zutaten als für uns vier einkaufe und vorbereite, stellte mich sowohl in Bezug auf die Speisenauswahl als auch die Menge auf einen Gast ein. Und dann kam das Kind nicht. Als wir eine halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit (diese Toleranz muss man bei Verabredungen in Italien ohnehin einkalkulieren) bei den Eltern anriefen, fielen diese aus allen Wolken (so taten sie zumindest) und teilten uns mit, sie seien spontan zum Aperitivo in Varese geblieben und das würde an diesem Abend nichts mehr werden. „Un’altra volta, dai!“ (Ein anderes Mal!), lautet eine immer bewährte Antwort in diesen Fällen, wenn es einem eigentlich die Sprache verschlägt. Es war dieselbe Familie, von der unser Kind als Geburtstagsgeschenk eine Einladung ins Kino bekam, die dann nie eingelöst wurde. Aber vielleicht hatten sie erwartet, dass wir den Besuch organisieren und die Kinder hinbringen? Wir haben es nie erfahren.

Andererseits kann es in Italien sein, dass eine Einladung spontan erfolgt und auch so gemeint ist. Das verstehe ich als Deutsche, die alles gerne plant, dann auch wieder nicht. Es kam ein paar Mal vor, dass unser Kind beim zuvor genannten Kind nach dem Spielen zum Abendessen bleiben durfte. Dann hatte ich den Salat. Oder vielmehr die Portion Pasta übrig. Mittlerweile habe ich verstanden, dass die Spontanität in Italien mindestens so wichtig ist wie die Gastfreundschaft. Eins geht ohne das andere nicht. Und die Deutsch-Italienerin werde ich bei unserer nächsten Begegnung einfach spontan in die nächste Cafeteria zerren. Da muss sie durch. Wir sind doch flexibel!

Titelfoto: Symbolbild von Pexels.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

23 Kommentare zu „Verabredungen

    1. P.S.: Du fragtest doch neulich nach einer JahresstartsLieblingsHymne. Inzwischen habe ich da wirklich ein Lied, das ich am liebsten von morgens bis abends durchgehend hören könnte: Houdini von Dua Lipa 🎼🤍🎤🤍🎶🤍🎚🤍🎧

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  1. Ähnliches erlebte ich in den USA, als wir den Sohn besuchten. Die Eltern seiner Freundin luden uns ein, sie zu besuchen. Was wir auch taten. Sie konnten ihre Überraschung darüber nicht mit Freundlichkeit paaren!
    Eine unschöne Erinnerung!
    Schönen Sonntag!

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  2. Sagt man nicht auch im Deutschen „Kommste heut‘ nicht, kommste morgen“? 😉
    Doch ich sehe die Herausforderung: Man floskelt nicht, wenn man es nicht wirklich auch vor hat in Deutschland. Das musste der Römer am Anfang schmerzlich feststellen, als ihn reihenweise sympathische, deutsche Patienten fragten, WANN sie denn jetzt genau einen Kaffee zusammen trinken gehen wollen. 😄
    Die Anpassung an eine andere Kultur ist eben immer eine Herausforderung – egal auf welcher Seite. 😄 Hab‘s fein, liebe Anke und einen schönen Wochenendausklang!

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  3. A parte i maleducati, che ci sono sempre, è vero che noi italiani diciamo di vederci ma poi la cosa resta nel vago…e per fissare un appuntamento bisogna parlarne seriamente. Invece qui in Finlandia funziona come da te: se dici ci vediamo, la cosa deve assolutamente avere un seguito. Non si fanno promesse a vuoto!

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  4. Ich komme auch gerne mit auf ein Eis :-)! Jetzt wo du es erwähnst: Nach meinen Jahren in Sizilien habe ich das auch mitgenommen und sage bei neuen Leuten in Wien ganz unverbindlich, wir sehen uns, bis nächstes Mal, gehen wir mal das oder das machen… Stößt zum Teil auf Unverständnis 😄, wenn bei „ok, wann?“ mein „schauma mal“ kommt.
    Aber bei Freunden genieße ich es doch, wenn es fix ausgemacht ist, in Palermo kam es oft zu Wartezeiten. Eure Nachbarn haben noch Luft nach oben, was soziales Verhalten betrifft, hehe. Ci vediamo presto. 😁☕

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    1. Schauma mal, richtig! Die wienerische Übersetzung von „ci sentiamo“ oder „vediamo“ oder „ci aggiorniamo“ oder wie man noch sagen kann, wenn man sich nicht festlegen will.😂
      A presto! Gerne auf ein Eis!😊

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  5. Oh je oh je, auch nicht ganz so meins. Aber diese Flexibilität musste ich in Indien im Januar auch erleben. Geplante Verabredungen platzten, dafür ging es ungeplant zum Antritts-Besuch beim Vater eines Kollegen ….
    So ein bisschen preußische Verbindlichkeit ist schon nett … 😉

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      1. … och hör mir auf, da stehen Dinge drin, die kannte ich letztes Jahr schon … ich entsorge die jetzt mal einfach, ohne es anzusprechen 😉

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