Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Oder: Morgen ist auch noch ein Jahr!

In den letzten Monaten hatte ich immer wieder das Gefühl, mich mit Symptomen von Prokrastination herumzuschlagen, dass ich Dinge vor mir herschob oder Zwangspausen einlegen musste. Nicht dasselbe, aber es läuft auf dasselbe hinaus: Vorhaben bleiben unerledigt. Neulich lag ich ein ganzes Wochenende lang mit Kopfschmerzen flach, dabei wollte ich für den Blog schreiben. Nun hebe ich zwei Texte mit weihnachtlichem Thema fürs nächste Jahr auf. Mit Weihnachten ist es zuletzt ohnehin so: Kaum ist eines vorbei, steht das nächste schon wieder vor der Tür. Aufschieben ist in diesem Fall kein Problem.

Hingegen war das Hinauszögern des Schreibens einer Nachricht an einen lieben Menschen im vergangenen Jahr ein unverzeihlicher Fehler, weil es für das Ungesagte plötzlich zu spät war. Eine Leere in mir und eine Lehre, auf die ich lieber verzichtet hätte. Aber das Leben ist so, es nimmt keine Rücksicht. Meine Erkenntnis, die ich als guten Rat dringend weitergeben muss: Fragt lieber einmal mehr nach! Macht ihr den ersten Schritt, auch wenn ihr meint, der andere wäre dran und müsste sich bei euch melden.

Wenn ich nun nach vorne blicke, frage ich mich wie jedes Jahr, was ich anders machen möchte. Es gibt vermutlich zwei Strategien, das Leben positiv anzugehen: die Dinge selbst in die Hand nehmen oder aus allem das Beste machen. Welche ist die Richtige?

Übungsleiterin Monica hat uns Sportlerinnen ihrer Aero-Gag-Gruppe zum Jahresende ein Notizbuch geschenkt, auf dem Cover ein Trainingsfoto und das folgende Motto:

La qualita della vita dipende dalle nostre scelte!“ (Die Lebensqualität hängt von unseren Entscheidungen ab.)

Diese klugen Worte, obwohl sie auch ein Werbeslogan eines Herstellers von orthopädischen Kirschkernkissen aus biologischem Anbau sein könnten, gefallen mir gut und werden mich im nächsten Jahr begleiten. Ein Notizbüchlein habe ich immer bei mir. Wenn die zündenden Gedanken kommen, soll keine Ausrede da sein, sie nicht aufzuschreiben.

Apropos Aero-Gag: Erinnert ihr euch an meine Begeisterung, diesen Sport in einer netten Gruppe gefunden zu haben? Ich war derart enthusiastisch, dass ich gleich alles gab und Squats turnte, als gäbe es kein Morgen. Leider war der Herr Musculus Rectus Femoris im linken Oberschenkel nicht einverstanden mit einem solchen Blitzstart nach jahrelanger Ruhepause. Ich zog mir einen schmerzhaften Muskelbündelriss zu. Halb so schlimm, hieß es von ärztlicher Seite, das heilt von selbst. Sie müssen nur zwei Monate pausieren. Könnt ihr euch vorstellen, wie deprimiert ich war? Nach drei Wochen sportlicher Aktivität gleich zwei Monate Pause! Es fiel mir schwer, das Unabänderliche zu akzeptieren. Dann fand ich einen guten Kompromiss, um die Routine nicht abbrechen zu lassen. Ich ging trotzdem in die Turnhalle und turnte nur, was ohne das linke Bein eben ging. Notfalls waren es ein paar zusätzliche Dehnungsübungen für den Oberkörper. Sport ist auch deshalb wertvoll, weil er uns neben körperlicher Fitness hilfreiche Lektionen über das Leben schenkt. Nicht alles hängt von uns selbst ab. Der Sport lehrt uns, damit umzugehen und zu reagieren. Lösungen zu finden, statt im Selbstmitleid zu versinken. Notwendige Pausen einzulegen, ohne alles aufzugeben.

Vielleicht liegt die richtige Strategie fürs Leben einfach in der Mitte: Es ist richtig, die Dinge in die Hand zu nehmen, statt nur abzuwarten, was sich ergibt. Wenn dann Unvorhergesehenes passiert, macht man das Beste daraus.

In diesem Sinne wünsche ich euch, liebe Leser und Leserinnen, Kraft und Zuversicht fürs neue Jahr. Es wird nicht alles laufen wie geplant. Vielleicht anders, vielleicht besser. Bleibt aber immer dran!

Lese-Tipps: Den spannenden Themen Prokrastination und Routinen haben sich zwei Blogger-Kolleginnen aus Berlin in unterhaltsamen Beiträgen gewidmet (einfach auf die farblich hervorgehobenen Worte klicken):

  • Mit einem lachenden und einem weinenden Auge analysiert Roswitha die Aufschieberitis in ihrem Text. Erkennt ihr euch wieder?
  • Sophie liebt ihre Routinen und Rituale, nicht nur auf sportlichem Gebiet. Trotzdem fragt sie sich: Nimmt es überhand oder hat sie noch Freude an ihnen?

Titelfoto: Symbolbild von Pexels.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

28 Kommentare zu „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

  1. „Vielleicht liegt die richtige Strategie fürs Leben einfach in der Mitte“: Dieser Satz ist sehr klug!!
    Schon Aristoteles sprach sich für den goldenen Mittelweg aus, auf den man tugendhaft durchs Leben schreiten sollte. Horaz hat später der „aurea mediocritas“ sogar ein lyrisches Denkmal gesetzt…
    Viel Erfolg bei all deinen Plänen in 2025!!

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  2. Bei mir könnte sich das Schicksal mal zusammenreißen und etwas viel Besseres als im letzten Jahr bringen – ich würde es gern annehmen – nicht, dass ich doch noch mit Sport anfangen muss, wo ich mich doch so viele Jahre erfolgreich gedrückt habe.

    Lieben Gruß an dich

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  3. Maaa, sportliche Zwangspause!! Das tut ja schon allein beim Lesen weh! Auf dass die Zeit rasch verfliegt, der Muskel wieder fit wird und auch er dann wieder bewegt werden darf. Ein gutes Neues Jahr! Vielen Dank für deine schönen Beiträge hier! (Ich lese jetzt gleich deine beiden Tipps bei den Kolleginnen!)

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  4. Ein schöner Satz ist das auf dem Notizbuch, liebe Anke. 😃 Danke, dass du ihn mit uns geteilt hast und gleich zeigst wie man ihn richtig leben kann: Nicht auf der Couch versumpfend, sondern trotzdem mitsportelnd.
    Ich werde mir den Satz hinter die Öhrchen schreiben! Denn man hat immer die Wahl wie man Herausforderungen angeht. 😃
    Komm gut ins neue Jahr und liebe Grüße, Eva

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  5. Liebe Anke, vielen Dank für die guten Wünsche und auch für deine Gedanken. Ich lese immer wieder gern die Gedanken und Überlegungen anderer Menschen. Ich empfinde es als Bereicherungen und freue mich über Impulse. Danke auch für das Verlinken. Ich hoffe, du hattest einen guten Start ins neue Jahr. Hoffentlich kannst du bald achtsam durchstarten – beim Sport und auch sonst.

    Liebe Grüße aus Berlin, Roswitha

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    1. Vielen Dank, liebe Roswitha. Ich freue mich auch immer, bei dir mitlesen zu dürfen. 😊
      Ich hoffe, auch du hast einen gelungenen Start in ein gesundes und glückliches 2025. Herzliche Grüße nach Berlin!

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    1. Na, gehört nicht, aber gespürt!!! Leider wusste ich das nicht zu bewerten, zumal der Riss nicht in der Halle beim Sport (wir hatten ein sonntägliches Charity-Event mit mehreren Gast-Trainern, da wollte ich bei allen mitturnen und „Bella Figura“ machen), sondern Tage später daheim bei einer banalen Bewegung passierte.
      Danke für die guten Wünsche. Dir auch alles Gute für 2025, auf dass der Ball rollt! ⚽😉

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      1. Zuhause passiert? Oweh. – Ist aber interessant, dass das dann bei vermeintlich weniger Belastung passiert ist.
        Hatte sowas gerade vor ein paar Wochen erlebt beim Fußball. Das konnte man vom Spielfeldrand her richtig hören, dumpf und halbwegs laut.
        Hoffe, Du machst bald wieder bella figura. 🙂

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  6. Liebe Anke, ich habe die Feiertage in Erfurt verbracht und somit „digital detox light“ betrieben. So bin ich eben dazu gekommen, Deinen Beitrag zu lesen.
    Was auch immer kommen mag, ich freue mich stets, von Dir zu lesen und wünsche Dir und Deinen Lieben einen guten Start in das neue Jahr.
    Herzliche Grüsse aus Wien schicke ich Dir!

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    1. Digital Detox klingt fantastisch. Das hat dir bestimmt gutgetan. Vielen Dank für die guten Wünsche, ich schicke ebensolche zu dir nach Wien, deine Lieben dort und deine Familie in Erfurt einbezogen. 😘

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  7. Liebe Anke, herzlichen Dank für diese schönen Worte zum Jahreswechsel, die mich zum Nachdenken angeregt haben. Vor allem dein Fazit für die richtige Strategie fürs Leben gefällt mir.
    Ich würde mich freuen, wenn es mir in diesem Jahr gelingt, diese Formel anzuwenden. Denn gerade mit dem Dinge-in-die-Hand-Nehmen tue ich mich manchmal noch schwer, oft aus Sorge, dass irgendetwas nicht klappen könnte.
    Für 2025 wünsche ich dir alles Liebe und Gute, leicht verspätet, aber dafür umso mehr von Herzen.
    Ganz herzliche Grüße aus Berlin! Sophie
    PS Und tausend Dank für die Erwähnung meiner Routinen. 😉

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