Drei Buchstaben

Oder: Anbandeln zu Zeiten von Instagram

Wo es früher dreier Worte bedurfte, da genügen heute drei Buchstaben. Aber mal langsam. Fangen wir bei den Worten an. Mit Worten habe ich es dieses Jahr. Ich suche ständig nach ihnen, sei es daheim beim Meinungsaustausch mit den Heranwachsenden oder beim Ideenabgleich im Büro. Als ich 2001 nach Italien kam und aus einem verlängerten Sommerurlaub der Aufenthalt meines Lebens wurde*, war es trotz rudimentärer Italienischkenntnisse einfacher. 2001 ging es um drei Worte. Zumindest, wenn man dem damaligen Sommerhit „Dammi tre parole“ Glauben schenkte. Diese Worte waren selbst für mich einfach mitzusingen: Sole, Cuore, Amore.

In den Kommentaren unter dem Video der Festivalbar jenes Sommers 2001 (Valeria Rossi gewann den Preis für die Newcomerin des Jahres) erinnert heute jemand wehmütig daran, dass es noch die Zeit ohne Smartphones und Social Media war, in der wir das (livehaftige) Leben womöglich mehr genossen. Sicher erwartete ein Mädchen damals noch mindestens drei Worte, wenn ein Junge sie ansprach. Heutzutage läuft das Ansprechen digital, über Insta DM (eine sogenannte Direct Message, also persönliche Nachricht zwischen zwei Instagram Usern). Dabei braucht es keine drei Worte mehr, es reichen drei Buchstaben. Ehi, schreibt der Italiener, wenn ihm langweilig ist und er ein Mädchen nett findet. Deutsche Jungs schreiben Hey, was wohl auf dasselbe hinausläuft. (Sicher gilt ähnliches oder gleiches für Mädchen schreibt einem Jungen, Mädchen schreibt Mädchen oder Junge einem Jungen … ich reflektiere hier Erfahrungen unserer Tochter.) Im vergangenen Sommer sang der italienische Rapper Alfa in „Bellissimissima“ genau von diesem Phänomen des Kennenlernens auf Instagram. Inizia sempre con un „Ehi come stai?“ (Es beginnt immer mit einem „Hey, wie geht’s?“) Hoppla, das sind ja doch drei Worte. Der Protagonist ist einer von denen, die sich mehr Mühe geben. Im Song erfahren wir auch, wie es weitergeht: Die beiden tauschen Nachrichten aus, gehen irgendwann offline und sehen sich im echten Leben. Später gibt es Probleme, die sich wieder online abspielen. Aber so weit wollen wir gar nicht denken und halten es mit Tucholsky: „Es wird nach einem happy end im Film jewöhnlich abjeblendt.“**

Anfänge sind immer ein vorsichtiges Herantasten, erste drei Worte sagen nicht viel. Und da sollen gar drei Buchstaben reichen? Wer etwas mehr von sich preisgibt, hat sicher bessere Chancen. Vor ein paar Wochen bekam unserer Tochter diese längere Version von Ehi. Und schon wieder fehlen mir die Worte, oder nein, eins habe ich parat und strahle innerlich mit ihr um die Wette: „Bellissimissimo!“

*In Norditalien habe ich geheiratet, eine Familie gegründet und lebe hier mittlerweile dreiundzwanzig Jahre, genauso lange wie einst in meinem Geburtsort Strausberg. /**Kurt Tucholsky: „Danach“, den ganzen Text könnt ihr hier nachlesen.

Titelfoto: Symbolbild von Pexels.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

3 Kommentare zu „Drei Buchstaben

  1. Offline, das waren noch Zeiten, liebe Anke. Übrigens war ich neulich in Strausberg, um meinen neuen Führerschein abzuholen. Am Biotop 12. Unser Städtchen Lebus gehört zu Märkisch Oderland, deshalb Strausberg. Und: Du bist doch Roland Kaiser Fan, wenn ich mich recht erinnere. Dann solltest du am Freitag kurz mal in Frankfurt vorbeischauen und ihn dir open air im Stadion der Freundschaft anhören. Das wollte ich dir unbedingt mitteilen. Bis dahin 😉. Liebe Grüße, Bettina

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    1. Pass mal auf, wenn es gleich an deiner Tür klingelt. 😉 Roland Kaiser habe ich einmal live erlebt, Ende der 90er-Jahre in Leipzig. Die Tickets hatte ich beim Morgen-Radio gewonnen. Dann habe ich nur noch in Dresden die Kulisse gesehen, für die Kaiser-Mania am Elbufer. Liebe Grüße!

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