Für die Ewigkeit

Schon 1989, als die Welt mit dem Fall der Berliner Mauer eine neue Ära begrüßte und lieber optimistisch in die Zukunft als melancholisch in die Vergangenheit blickte, fragte sich Raf in seinem unsterblichen Hit „Cosa Resterà Degli Anni ’80“, was von den Achtzigerjahren bleiben wird. Obwohl ich damals begann, ins Ausland zu reisen, führte mich mein Weg nicht sofort in den Süden und von der italienischen Popmusik dieser Zeit bekam ich nicht allzu viel mit. Es waren Ende der Neunzigerjahre Laura Pausini, Nek und Michele Zarillo, die mich musikalisch nach Italien entführten. Der Singer-Songwriter Raf, seit seinem Paukenschlag-Debüt 1984 immer wieder in den italienischen Hitlisten, hatte bei mir einen eher schweren Start. Kannte ich doch seinen ersten großen Erfolg in der Version der Amerikanerin Laura Branigan. Jahrelang glaubte ich, er hätte „Self Control“ von ihr abgekupfert. Dabei war das Lied von ihm und sie durfte es auch singen, alles hatte seine Richtigkeit, wie ich bereits in einem früheren Blogartikel erklärte. Als ich letztes Jahr von seiner Jubiläumstour „40 Jahre Self Control“ hörte und dass er dieses Konzert 2025 auch auf Theaterbühnen bringen würde, war das für mich ein Zeichen. Lästert bitte nicht, aber ich bin schon in einem Alter, in dem ich einen Theatersaal und eine feste Sitzplatznummer dem Gedränge in Stadion oder Sporthalle vorziehe. Leider gibt es kein Gastspiel am Theater in Varese, aber Mailand stand Ende Mai auf dem Programm. Ich schlug die Unternehmung meinem Mann vor. Schließlich hatten wir noch eine Rechnung offen: Ich wollte doch so gerne das Original im Original hören, umgarnte ich ihn. Damit hatte ich Erfolg und erhielt auch nach vollbrachter Tat seine Absolution. Wie so oft, wenn ich ohne große Erwartungen in ein Theaterstück oder in ein Konzert gehe, wurde es ein voller Erfolg. So viele fantastische Songs, die ich sehr wohl kannte, aber nicht diesem einen Sänger zugerechnet hatte. Den Titel „Due“ kannte ich in der späteren Fassung von Laura Pausini. Erst jetzt sah ich das Video, das 1993 ausgerechnet in Ostberlin gedreht worden ist. Ich hätte Raf begegnen können, ich studierte damals in Berlin! Aber bei dem Dreh hatte er vermutlich nur Augen für die verboten schöne Anna Falchi.

Der Abend in Mailand war eine wahre Offenbarung. Der Fünfundsechzigjährige rockte die Bühne wie ein Dreiβigjähriger, stimmlich und körperlich, und seine Bandmitglieder legten spektakuläre Trompeten- und Schlagzeugsoli obendrauf. Ich konnte zwar nicht mitsingen, wie so viele Fans im Saal, aber was nicht ist, das kann ja noch werden. Poetisch und zeitlos, gingen auch die (mir) weniger bekannten Songs ins Herz und in die Beine. Da war „Self Control“ am Ende nur das klitzekleine Sahnehäubchen auf der Torte.

Und was bleibt nun von den Achtzigerjahren? Das bleibt jedem, der sie erlebt hat, selbst überlassen. Die Musik der Achtziger, da sind wir uns wohl alle einig, hat ihre Zeit überdauert. Raf hat sie mit modernen Rhythmen weiterentwickelt, hat experimentiert, aber ist sich dabei immer treu geblieben. Seien es Titel aus den Achtzigern, den Neunzigern oder den letzten beiden Jahrzehnten seiner vierzigjährigen Karriere ‒ alle klingen so stark wie einst. Es sind Songs für die Ewigkeit, und wie es auch der letzte Titel des Abends „Infinito“ aus dem Jahr 2001 suggeriert: Jahrzehnte wie die Achtziger, gute und schlechte Zeiten, große Lieben und Abenteuer gehen irgendwann zu Ende, im Herzen und in unseren Gedanken aber leben sie weiter, wenn wir das wollen. Rafs Musik begleitet uns dabei.

Fünf seiner größten Hits bei einem TV-Auftritt im April 2024 im Programm „I migliori anni“:

Einen Konzertmitschnitt bei Radio Italia Live vom 31/01/25 gibt es hier zu sehen:

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

10 Kommentare zu „Für die Ewigkeit

  1. Toller Beitrag, der mich sofort zurück in die 80er und 90er zurück katapultiert! Schöne Zeiten die 80er! Und ja: Ich bin auch nicht mehr in dem Alter. Ein Sitzplatz auf der Tribüne muss schon sein 🙂

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  2. Hallo, jetzt bin ich also doch noch zu dir gekommen, obwohl (wegen meiner Ohren) Musik noch nie das größte Thema bei mir war. – Dich finde ich in meinem nicht alphabetisch sortierten Reader immer ganz schnell wegen deiner wunderschön leuchtenden gelben Blume.

    Wenn ich den Einkauf erledigt habe, werde ich mir mal die beiden Videos anhören.

    Ganz lieben Gruß zu dir von Clara

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