Arrivederci Alassio!

Die Sache mit den nicht eingelösten Versprechen

Morgens, zwischen acht und zehn Uhr, duftet es am besten. Ich liebe es, gleich nach dem Frühstück ein paar Schritte durch den Ort zu laufen. Allmorgendliche Geräusche unterm Hotelfenster sorgen dafür, dass es nicht zu spät wird. Alassio erwacht mit knatternden Vespas und Kindergeplapper, Badelatschen, die über den Asphalt schlappen, Stimmengewirr, das in den engen Gassen widerhallt. Manchmal erklingen Gesänge aus der Kirche gegenüber. Urlaubsgeräusche, die mich sanft aus den Federn locken. Was auch immer für den Tag geplant ist, für mich beginnt er mit einem olfaktorischen Streifzug. Ich schlendere drauflos und hole mir meine tägliche Dosis unwiderstehlichen Duft von süßem Gebäck und Caffè, reifen Pfirsichen und Melonen, ersten Blechen ölgetränkter Focaccia und Farinata. Manchmal mischt sich darunter ein Geruch nach Putzmitteln. Solchen mit Blütenaroma, versteht sich. Jeder duftende Morgen ist ein süßes Versprechen für den Tag. Auch an unserem letzten Urlaubsmorgen lasse ich mir mein liebgewordenes Ritual nicht entgehen. Während die anderen noch ihre sieben Sachen zusammenpacken, laufe ich meine Runde. Vorbei an der einfachen Pension, in der ich wohnte, als ich vor vielen Jahren das erste Mal hier war. Ob Giovanni noch Chef dort ist? Ich könnte ihn daran erinnern, dass er mir eine Spritztour nach Monte Carlo versprochen hatte. Kurz vorm Hotel winkt mir Luigi, der Bagnino unseres Strandbades. Gutes Geld hat er mit uns gemacht. Zwei Liegen, ein Schirm und zwei Strandtücher zum Schnäppchenpreis von vierzig Euro. Für den ganzen Tag, versteht sich. Warum kamen wir immer nur ein paar Stunden? Einmal durften wir in die erste Reihe. In der kostet das Arrangement eigentlich fünfzig Euro. Eine nette Geste von Luigi. Da sei es ihm verziehen, dass er uns zum Auftakt Caffè und kühle Getränke in Aussicht gestellt hatte, auf die wir noch immer warten. Vielleicht sind es ja die nicht eingelösten Versprechen, die mich immer wieder nach Alassio ziehen. Denn soweit ich mich erinnere, habe ich nie vom Wasser der SantʼAnna Quelle am Mäuerchen Muretto di Alassio gekostet, von dem es heißt: Chi ne beve, ritorna. (Wer davon trinkt, kommt wieder.) Um sicher zu gehen, mache ich dieses Mal selbst ein Versprechen und bleibe es schuldig: noch einen letzten der köstlichen, nussig-schokoladigen Keksküsschen Baci di Alassio. Leider schaffen wir es am Ende nicht, doch ich weiß, es wird irgendwann eine Gelegenheit geben, mein Versprechen einzulösen.

Veröffentlicht von Anke

La Deutsche Vita in Bella Italia auf meinem Blog tuttopaletti.com. Geboren in der DDR, lebte ich zunächst im wiedervereinigten Deutschland und habe in Norditalien meine Heimat gefunden. Ein Leben zwischen den Welten und Kulturen, schreibend, lesend, neugierig und immer auf der Suche nach neuen spannenden Geschichten.

33 Kommentare zu „Arrivederci Alassio!

  1. Liebe Anke, wunderbar geschrieben, dein Beitrag. Deine Beobachtungen der kleinen Dinge, die so viel Freude bereiten können, gefallen mir sehr. Im Urlaub nehme ich mir immer wieder vor, dass ich auch im Alltag mehr darauf achten werde, kleine schöne Dinge wahrzunehmen, aber das ist nicht so einfach. Du hast mich neugierig auf Alassio gemacht. Liebe Grüße aus dem heißen Berlin. Roswitha

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    1. Danke, liebe Roswitha. Was wäre die beste Empfehlung für Alassio als die Tatsache, dass ich über die Jahre nun schon das vierte Mal dort war. Sicher würde es dir auch gefallen. Es ist wirklich für Jeden etwas dabei: ob Baden an den Sandstränden, Wandern in den Hügeln, Flanieren durch die Gassen oder am Meer entlang bis in den nahegelegenen Ort Laigueglia. Und am Abend gibt es auf dem zentralen Platz kostenlos Kultur. Bei meinem ersten Besuch erlebte ich so ganz zufällig ein Konzert von dem damals noch jungen aber bereits erfolgreichen Cesare Cremonini. Viele Grüße aus dem ebenfalls noch schön kuscheligen Norditalien.😉

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    1. Hallo Clara! Jetzt bin ich mal die Liste der Follower durchgegangen und tatsächlich erscheinst du nicht mehr. Das ist merkwürdig, na dann schnell wieder anmelden, wenn du das magst! 😉 LG Anke

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  2. Seit dem ersten Besuch in Berchtesgaden wollte ich zur Gotzenalm. Bis heute bin ich nicht dort gewesen. Warum, das kann ich eigentlich gar nicht erklären. Ich nehme es mir immer wieder vor. Ein Versprechen an mich selbst, um immer wiederzukehren? Auf diesen Gedanken bin ich nun durch dich gekommen, liebe Anke 😉
    LG Bettina

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    1. Genau, oder in den Bergen wandern … was wir bei der Hitze im August diesmal nicht in Erwägung gezogen haben. 😉
      Danke fürs Lesen und tanti saluti, jetzt wieder aus der Lombardei!

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    1. Mal sehen, ob schon nächstes Jahr, aber irgendwann ganz sicher. Ich sah auch ältere, alleinstehende Damen, die dort, sicher wiederholt, ihren Urlaub verbringen, in Erinnerung an die gemeinsamen Sommer mit den Lieben vor vielen Jahren. Nein, nein … wir fahren eher mal und dann kann ich Küsschen verteilen. 😍

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  3. Liebe Anke,
    im Urlaub lerne ich einerseits gern Neues kennen, andererseits fahre ich aber auch immer wieder gern an meine „Sehnsuchtsorte“, in denen ich schon so oft war, dass ich mich ein Stück weit wie zuhause fühle. Und dort lasse ich mir auch immer Dinge offen, die ich bisher noch nie getan habe – in Prerow ist es die Boddenrundfahrt, auf Bornholm die Fahrt zu den sogenannten Erbseninseln. Können wir ja das nächste Mal machen, denke ich mir dann – und habe eine Grund, um zurückzukehren.
    Die Kekse schauen köstlich aus!!!
    Herzliche Grüße, Sophie

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    1. Danke liebe Sophie, da haben wir wieder etwas gemeinsam. Auch ich bin eigentlich kein Typ für „Stessa spiaggia, stesso mare“, jedes Jahr denselben Urlaub am selben Ort zu verbringen. Bin viel zu neugierig auf andere Erlebnisse. Und doch … wie in diesem Fall, alle paar Jahre ergibt es sich, ganz magisch, dass mir Alassio wieder einfällt. Dort gibt es auch immer Dinge, die man irgendwann noch machen will. Oder wieder.
      Liebe Grüße nach Berlin! Anke

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    1. Du wirst zu deinem Glück gezwungen. 😉 Für den kurzen Sprung ins Nass kannst du aber an die wenigen freien Badestellen gehen, mit eigenem Badetuch freilich und ohne Klo/Dusche/Bademeister.
      Mit hartem Verhandeln habe ich ein paar Mal einen Halbtags-Tarif erzwungen. Und was die Langeweile betrifft (wie ich dich verstehe), lernst du damit umzugehen (Meer und Leute gucken), oder deine Kinder bestimmen das Programm (Beach-Tennis, Ballspielen, Sandburgen bauen …). Wenn man schon mal da ist. 😄 (Es war auch viel zu heiß, um tags Wanderungen zu unternehmen, und im klimatisierten Hotel will man ja auch nicht die ganze Zeit hocken.)

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  4. Und noch eine Frage: Im Vergleich zu Eurem Strand-Arrangement sind ja selbst die Strandkörbe auf Sylt ein wahres Schnäppchen. Gibt es Deutsche, die ganz dreist eine Strandmuschel aufbauen, um die salzigen Strandliegenpreise zu umgehen? Oder wäre das in Italien eine Todsünde? Wie gut, dass ein Tag am Meer alles wert ist – für mich gibt es auf jeden Fall nichts schöneres!

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    1. Es gibt freie Strände, oder sagen wir mal besser, kleine Strandabschnitte. An jedem Ortsende einen, so in etwa. Dort darf man Strandmuscheln aufbauen, Sonnenschirme pflanzen und Handtücher ausbreiten, wie man lustig ist und solange man Platz dazu findet.😉

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      1. Na dann, stehen einem ja alle Optionen zur Verfügung 😉. Obwohl ich zugeben muss, dass ich Strandliegen zum Lesen unschlagbar gut finde. Habe auf jeden Fall sofort Lust auf einen Italien-Strandurlaub bekommen …

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